Papillon auf Welttournee

Karibik

2015-03-09 Alltag im Westen

Als wir Internetzugänge, Regionalverkehr und Versorgungsmöglichkeiten hier im Süden Martiniques hinreichend erkundet haben, neigt sich die erste Woche in der „Neuen Welt“ schon ihrem Ende. Temperaturen um die 30° lassen uns nichts überstürzen, und wir haben schnell Resonanz zu den deutlich langsamer tickenden karibischen Uhren hergestellt. Auf der Reede von Sainte Anne lässt es sich aushalten - zumindest zwischen den Squalls, die besonders nachts heulend über uns hinwegziehen.



Mit den anstehenden kleinen Wartungs-, Reparatur- und Reinigungsarbeiten kommen wir gut voran und so nehmen wir uns inzwischen zunehmend Landurlaub. Ein auf unserer ersten Wanderung entdeckter, kaum besuchter Traumstrand hat den Wunsch nach Mehr entfacht. Also bleiben die Wanderschuhe in greifbarer Nähe.


Gestern hat unser Skipper ein Stück Zahnkrone verloren. So steht demnächst auch noch ein Besuch beim Dentist an. Die Angst vor dem tanzenden, bunt bemalten Mann in Lendenshorts mit der Haifischzahnkette am Hals und einem toten Huhn in der Hand sitzt tief, aber muss ja…


2015-03-11 Traumstrand

Alle Wegbeschreibungen auf unsere bange Frage nach „Dentiste“ wiesen letztlich auf ein proppenvolles Wartezimmer in der ersten Etage eines etwas abgelegenen Hauses. Die freundliche Wartegemeinde aus überwiegend sehr reichlich genährten und bunt bekleideten Frauen nimmt uns wohlwollend in ihrer Mitte auf. Ihre exotische Erscheinung und ein für uns schwer zu interpretierendes Wandgemälde beflügeln die latenten Voodoofantasien.



Am Ende erhält der Skipper einen Termin für Freitag den 13. zur Zeit des höchsten Sonnenstandes…

Wir denken vorerst nicht weiter darüber nach und verbringen einen sehr entspannten Nachmittag am bereits erwähnten Traumstrand.

 

2015-03-14 Vorerst gestrandet

In für unseren Kulturkreis legendärer Pünktlichkeit stehen wir in der Mittagsglut vor der verschlossenen Tür des Zahnmedizinmannes. Neben der Klinke klebt eine kurze Nachricht an Matthias mit einem neuen Termin am Abend neben dem vorgedruckten Slogan „PEOPLE HAVE PRIORITY“. Damit ist die Zeremonie verschoben und wir machen uns auf den langen Rückweg zum Ortskern um die Zeit nun anderweitig zu vertun. Mit einem sorgfältigen Preisvergleich und dem Erwerb einer guten Buddel Rum aus der Region erhält der Nachmittag jedoch schon bald wieder neuen Sinn.

Nach Sonnenuntergang haben wir auch beim Medizinmann mehr Glück. Der Skipper bekommt seine Audienz, ein totes Huhn wird (vielleicht angesichts der hohen Fleischpreise) doch nicht eingesetzt und dem Zahnproblem stattdessen mit klassischer Schulmedizin begegnet. Inzwischen sind der Gebissabdruck auf dem Luftweg nach Paris und das neue Onlay hoffentlich in zwei Wochen zurück in der Karibik. Wir erfreuen uns also eines doch noch längeren Aufenthaltes in Martinique. Es ist ja auch schön hier und der erste Hurrikan der Saison statistisch noch weit entfernt.


 

2014-03-21 Eindrücke

Also treiben wir die Inselerkundung voran. Nach nur wenigen hundert Metern mit vollem Marschgepäck erfährt die nächste Wanderung eine unvorhergesehene Unterbrechung. Aus dem Internetcafé wird uns von einer Segelbekanntschaft fröhlich zugewinkt und Platz am Tisch angeboten. Zum kurzen Plausch gesellen sich weitere Wellenreiter von drei anderen Schiffen. Man tauscht sich über die bisherige Reiseroute aus: „Na da kennt Ihr bestimmt …“ „Ach was, denn kennt Ihr auch? Wie war Eure Überfahrt? Nein!“ „Doch!“ Und schon ist so viel Zeit verflossen, dass unser eigentliches, sehr sportliches Marschziel im Dunkel der nächsten Nacht untergeht.

Inzwischen herrscht Konsens über die Notwendigkeit eines gemeinsamen Strandpicknicks am Abend. Wir entscheiden uns für einige Kilometer Uferwanderung in den verbliebenen Sonnenstunden und werden von der Crew der „Gegenwind“ begleitet. Hinter unserem „Traumstrand“ finden wir einen weiteren Traumstrand, an den sich nach Passieren des nächsten Kaps ein herrlicher Traumstrand anschließt. Wir ahnen, wie es weitergeht und entscheiden angesichts der fortgeschrittenen Zeit, den Rückweg anzutreten.


In respektabler Entfernung bietet die Insel Regenwald, Bananenplantagen und nicht zuletzt eine Auswahl an Rum-Destillerien mit verführerischen Verkostungsangeboten. Für einen der folgenden Tage mieten wir uns zu viert einen Dacia und geben Gummi. Strategisch günstig auf unserer geplanten Route über die Insel liegt die „Habitation Clément“ mit botanischem Garten und Rum-Destillerie im Besucherpaket. Der alte, dampfbetriebene Maschinenpark ist heute ein informatives Museum. Während das Konterfei des Unternehmensgründers (übrigens ein Mediziner!) von jedem Holzfass strahlt, schmücken fast lebensgroße Schwarzweißfotos der letzten aktiven Arbeiter die Wände des ehemaligen Werkgebäudes. Sie sind mit Namen, Funktion und Zeiten der Betriebszugehörigkeit hier präsent und geben dem leeren Maschinenpark einen Background. Die Lagerhallen werden von der modernen Destillerie weiterhin genutzt und verwöhnen die Sinne mit dem angenehm-süßlichen Duft von Rum in alten Holzfässern.


So angetörnt erreichen wir schließlich den Ausgang des Museums mit der Verkostungsbar. Hier können die edlen Tropfen unterschiedlicher Preis- und Altersklassen neben fruchtigen Likörmixturen probiert werden. Entsprechend glasig ist der Blick all jener, die später rund um unseren Fahrer Helge im Auto Platz nehmen. Die nächste Erinnerung haben wir an den Stopp in einer Bananenplantage aus der eventuell die später im Auto gefundenen Früchte stammen könnten.


Nach langer, kurvenreicher Fahrt erreichen wir am Nachmittag den Regenwald und unternehmen einen eindrucksvollen und ausgiebigen Spaziergang im feucht-warmen Klima.


 

2015-03-26 Typisch Langfahrtsegeln

Yachten scheinen nur bedingt für den dauernden Betrieb im Freien oder gar auf dem Wasser konstruiert zu sein. UV-Strahlung, elektrochemische Korrosion und mechanische Belastung zerlegen stolze Schiffe in kurzer Zeit zu Sekundärrohstoffen oder machen eben häufige Kontrollgänge und Wartungsarbeiten an Bord unverzichtbar. Langfahrtsegeln, so heißt es deshalb, sei Reparieren in den schönsten Gegenden dieser Welt.

Der Vormittag hüllt sich in graue Regenwolken und drängt sich für Schiffspflege und Wartung geradezu auf. Inzwischen sind die meisten Handgriffe Routine und werden längst subcortikal gesteuert. Mit Öffnen des Motorraumes verschwindet plötzlich alle Lethargie, als der entsetzte Blick des Bootsmannes von der Wasseroberfläche der randvollen Motorbilge reflektiert wird. Salzwasser! Ein Leck ist nicht zu entdecken und offenbart sich auch nach Abpumpen und Austrocknen der Wanne nicht. Erst beim Probestart des Motors beginnt es zu tropfen. Die Kühlwasserpumpe ist inkontinent. Ein kleiner Gummidichtring an der Rückseite der Pumpe hat seine Verschleißgrenze überschritten und muss ersetzt werden. Nach kurzem Mailverkehr mit Segelfreunden, die erst vor wenigen Wochen die gleiche Erfahrung machten, ist das Procedere des Dichtungswechsels klar. Ein Gummiring, dessen Gegenwert von 10,20€ sich uns auch nach mehrfacher Änderung des Betrachtungswinkels nicht erschließt, wird beim ansässigen Volvo-Monteur erstanden und selbst erfolgreich eingebaut.

Die Reparatur ist erledigt und wir genießen unseren Sundowner im Cockpit der Papillon in wundervoller Umgebung.


 

2015-04-01 Bärenstark

Einige ausgedehnte Strandspaziergänge und ein paar Schwimmzüge später neigt sich unser erster Monat in der Karibik beinahe unbemerkt dem Ende. Es hat seine Vorteile, länger an einem Ort zu bleiben. Nun kennen wir die örtlichen Versorgungsmöglichkeiten, die Preisdifferenzen, die Busabfahrtzeiten, den Zahnarzt, den Ankergrund, öffentliche Wasserzapfstellen und andere überlebensnotwendige Einrichtungen von Sainte Anne. Das Leben auf dem Ankerfeld verkommt zu neuem Alltag und ist doch so verschieden von dem, was wir in den bisherigen 11 Monaten unserer Reise kennenlernten. Den Ankerplatz teilen sich etwa 150 Segelyachten mit mehr als 300 Seglern, die alle kein alternatives Zuhause mehr zu haben scheinen. Erstmals werden Schlauchboot und Außenbordmotor wirklich beansprucht. Die Wege sind meist weit, nass und landschaftlich schön. Zum Gewerbegebiet des nahen Le Marin gelangt man mit dem Schlauchboot durch einen kurzen Flusslauf, dessen Ufer von Mangroven gesäumt ist. Der Wegweiser für die versteckte Einfahrt ist romantisch auf das Wrack einer gestrandeten Yacht gemalt.


Die Wirtschaft vor Ort hat sich auf uns Ozeanvagabunden eingestellt. Viele Restaurants locken mit „Free Wifi“ gegen den permanenten Datenhunger der „Offline-Offshorer“ in ihre Etablissements. In Le Marin überleben zahlreiche Schiffsausrüster und die mit Riffen gespickte Einfahrt zum Hafen ist ungenau genug betonnt, um ab und zu eine Yacht am Fahrwasserrand wieder vom Grund schleppen zu können.

Während wir uns daran gewöhnen, dass der Weg zum Schwimmen und Schnorcheln in türkisfarbenem Wasser lediglich über das Cockpit der eigenen Yacht führt und dass Besuch grundsätzlich mit dem Schlauchboot kommt und in der Dunkelheit durch Lichtspiele zur richtigen Yacht geleitet werden muss, ist auch der neue Zahnersatz für den Skipper endlich eingetroffen. Ein kurzfristiger Termin beim Zahnmedizinmann kündigt das baldige Ende unserer Liegezeit in Martinique an. So wären wir schon bald gen Süden unterwegs, hätte nicht testosterongestörte Kraftdosierung des Dentisten das neue Onlay aus Paris beim Einsetzen gleich demoliert. Wir warten also nun geduldig auf Ersatz aus Europa (hoffentlich hat er diesmal gleich zwei bestellt) und beteuern, wie gern wir ja ohnehin auch so noch geblieben wären.

 

2015-04-07 Todesäpfelchen

Im Aktionsradius eines anspruchsvollen Fußmarsches um unseren Ankerplatz befindet sich neben zahlreichen Stränden auch die „Savane des Pétrifications“ als karges Kontrastprogramm zum üppigen Regenwald im Inselinnern. Gemeinsam mit den Crews der „Gegenwind“ und der „Shógun“ erwandern wir uns das sportliche Ziel unter unerbittlich-tropischer Sonne.


Nach Verlassen des Trockengebietes mit bis zu 3m hohen Kakteen finden wir nach Stunden wieder etwas Schatten unter grünen Bäumen. Ein flach über dem Boden gewachsener Baumstamm und ein großer Stein drängen sich als Rastplatz unter dem schattigen, grünen Blätterdach geradezu auf. Die letzten Bissen Reiseproviant sind gerade vertilgt, als wir von Einheimischen auf die naive Wahl unseres Picknickplatzes angesprochen werden. Blind vor Gier nach Schatten und Nahrung hatten wir die roten Markierungen an den Ästen zuvor gar nicht bemerkt, von deren existenzieller Bedeutung wir alle bereits gelesen hatten. So sieht er also aus, der Machinelbaum! Die Spanier nennen ihn „Manzanilla de la muerte“ - also „Todesäpfelchen“. Er gilt als einer der giftigsten Bäume der Welt, bei dem Früchte, Blätter, Rinde und wohl auch die Pflanzendämpfe toxisch sind. Der Saft dieses Wolfsmilchgewächses wurde von einigen Eingeborenenstämmen ehemals als Pfeilgift verwendet. Durch Regen von den Blättern gewaschene, stark ätzende Absonderungen sollen bei den am Stamm fixierten Opfern früherer Volksgewalt bis zum Foltertod geführt haben. Aber das Glück ist mit den Unbedarften: kein Regen, kein direkter Hautkontakt zu Pflanzenteilen und so sind wir unbeschadet davongekommen und durften schmerzfrei dazulernen. Danke! Das Erfrischungs- und Reinigungsbad am nahegelegenen Strand war damit natürlich überfällig und doppelt entspannend.


 

2015-04-09 Aktivurlaub

Der Wasserweg ins nahegelegene Le Marin führt über eine spektakuläre Riffkante, an der die Wassertiefe abrupt von einem auf über dreißig Meter zunimmt. Seit wir das erste Mal mit unserem luftgefüllten Töfftöff  darüber getuckert sind, planen wir dort einen Schnorchelgang zu unternehmen. Andere spannende Ausflugsziele, zu kräftiger Wind, zu bedeckter Himmel,  zu fortgeschrittene Tageszeit oder zu wenig Antrieb haben uns bislang erfolgreich davon abgehalten. Doch nun sind alle erdenklichen Parameter günstig. Wir steuern unser Schlauchboot zum submarinen Abgrund, finden in der Nähe guten Sandgrund um das Dinghi zu verankern und werfen uns ganz ohne Abkühlung ins 27°C kalte Wasser. Der Blick unter die Wasseroberfläche hätte uns wohl auch ohne Schnorchel im Mund sprachlos gemacht. Ein bunter Unterwassergarten mit zahlreichen Korallenarten und kleinen, farbenfrohen Fischen, die sich gegenseitig um die Seeanemonen jagen, erstreckt sich so weit das taucherbebrillte Auge im kristallklaren Wasser reicht. Gigantisch! Auch zwei Kugelfische, die sich für kurze Zeit aus ihren Verstecken wagen, können wir beobachten. Aus kurzer Distanz erkennen wir die Polypen auf der Oberfläche der Korallen, die sich in der Strömung sanft hin und her wiegen. Wir haben solche Bilder in 3-Sat-Naturfilmen zwar schon öfter gesehen, aber live ist eben doch ganz etwas Anderes.

Bewegungsdrang treibt uns einige Tage später auf den „Piton Créve-Coeur“, der mit 200m höchsten Erhebung im näheren Umland. Auf den Gipfel führt ein neu angelegter, steiler Pfad mit unzähligen Stufen. Wir genießen das 360°-Panorama, betrachten aus der Vogelperspektive unsere bisherigen Wanderrouten über die Halbinsel und verzehren den mitgebrachten Proviant in luftiger Höhe abseits giftiger Äpfelchenbäume.

Dank noch unzureichender Beschilderung zu diesem abgelegenen regionaltouristischen Kleinod erfahren wir hier die Stille der Abgeschiedenheit. Nach Sonnenuntergang und dem zweiten, kräftigen Regenschauer erreichen wir dann ohne jeden weiteren erkennbaren Bedarf an Tagesaktivität wieder unser schwimmendes Zuhause.

 

2015-04-22 Autotouristik

In den nächsten Tagen bekommen wir per Mail die Kapitulationserklärung des ortsansässigen Zahnarztes. Auf dem Rückweg nach Paris ist der Abdruck für das Labor beschädigt worden und müsste neu angefertigt werden. Das von rohem Kraftakt um eine kleine Ecke reduzierte Onlay versieht jedoch bisher seinen Dienst hervorragend und soll nun als kostenloses Provisorium Skippers Kaufähigkeit auch noch bis zur geplanten Rückkehr der Papillon nach Martinique in 7 Monaten sicherstellen. Die Karibik kennt eben keine Eile…

Für uns wäre der Weg zur Abreise also nun frei. Etwas Bewegung dürfte auch dem Schiff nicht schaden. Der Bewuchs am Unterwasserschiff ist mit Bordmitteln kaum mehr zu bändigen. Unsere umweltfreundlichen, europäischen Antifoulings entlocken den hiesigen Algen und Muscheln im inzwischen auf 28°C aufgeheizten Wasser vielleicht noch ein mitleidiges Lächeln bevor sie sich dann auf dem Rumpf häuslich einrichten.

Vor einer Weiterreise planen wir noch einen Ausflug in den Norden der Insel und mieten uns dafür ein Auto. Da steht er nun in strahlendem Sonnenschein: ein Twingo in pink-metallic! Der Skipper versucht den Autoschlüssel gedemütigt an seine Dame weiterzureichen, lässt sich aber nach einem kurzen Vortrag über unsinnige Geschlechterklischees und Captain Jack Sparrow letztlich doch ans Steuer setzen. In St. Pierre, der ehemaligen Hauptstadt Martiniques, sind noch einige Ruinen zu bestaunen, die der Ausbruch des Pelée zu Beginn des 20. Jahrhunderts zurückgelassen hat. Wir besichtigen die Reste des ehemaligen Theaters mit dem benachbarten Gefängnis und steuern später unser exzentrisches Gefährt in den Regenwald im Zentrum der Insel. Eingehüllt in eine dicke Wolke Mückenabwehrspray, verbringen wir einen wundervollen Nachmittag auf einem schmalen Bergpfad, der sich zwischen riesigen Bäumen und Farnen durchs Dickicht schlängelt.


 

2015-05-03 Der Tag an dem wir beinahe Martinique verlassen hätten

Bevor unser „Fahrspaß in pink-matallic“ sein absehbares Ende an der Mietwagenstation in Sainte Anne nehmen wird, nutzen wir unsere geliehene Automobilität zur Verproviantierung mit größeren Nahrungsmittelmengen, die nach Aussage anderer Segler auf unserer weiteren Route wohl deutlich teurer werden dürften. Wir waren seit Monaten nicht mit dem Auto im Supermarkt einkaufen und erfreuen uns an einer Selbstversorgung ohne Rücksicht auf tragbares Gewicht. Die Realität unserer selbstgewählten Lebensumstände holt uns allerdings wieder ein, als wir später den gewaltigen Einkauf vom Autor zur Pier, von der Pier nach unten ins Dinghi und vom Dinghi dann wieder nach oben ins Schiff umzuschichten haben. Bei den letzten Handgriffen vor der Weiterreise am nächsten Tag macht die Rückenmuskulatur der Bordfrau sehr unsanft auf sich aufmerksam. Wir flaggen also zum Lazarettschiff um und beschließen zu bleiben. Das war der Tag, an dem wir beinahe Martinique verlassen hätten…

Auf Anweisung der nun selbst angeschlagenen Physiotherapeutin beginnt der Skipper mit der Behandlung. Glücklicherweise sind Sabine & John mit ihrer CHEVALDY nur wenig später auf der Reede eingetroffen. Wir kennen sie bereits aus Las Palmas. John, ein Masseur im Ruhestand, hat mit ein paar Handgriffen und Akkupunkturnadeln unsere Bordfrau sehr schnell wieder in die Senkrechte gebracht, aus der sie die Wiedersehensfreude nun auch ganz anders genießen kann. Die folgenden Rehabilitationstage entspannen wir auf der Reede vor Saite Anne, schwimmen etwas und schnorcheln am Riff. Es ist einfach grandios dort. Zum Sundowner treffen wir uns öfter mit Sabine & John. Er ist ein Virtuose auf der Gitarre und wir genießen die künstlerische Untermalung der lauen Tropennächte.

Den Badespaß auf dem Ankerplatz vergällt uns inzwischen ein über 1m langer Barracuda, der sich ausgerechnet den Schatten unter der Papillon als permanenten Jagd- und Wohnplatz ausgewählt hat. Seinen Jagdinstinkt möchten wir ungern durch Rundenschwimmen wecken und so halten wir uns vorerst lieber in der Nähe der Badeleiter auf. Der Bewuchs am Unterwasserschiff lockt inzwischen zahlreiche Fische an, die dem neuen Untermieter zu schmecken scheinen. Es wird höchste Zeit, etwas Unruhe im Biotop zu erzeugen. Wir nutzen das angenehme Wetter und setzen die Segel zum Tagestörn rund um den beeindruckenden Diamantfelsen.


Dieses beschauliche Eiland mit seinen vielen Aushöhlungen hatten die Briten während der Napoleonischen Kriege zu einer Festung ausgebaut und den Schiffsverkehr von hier aus mit Kanonenkugeln beschleunigt.

 

2015-05-05 Schrecklich glamouröse Begegnung

Einige Tage später bekommt unser irischer Freund John Verstärkung aus seiner alten Heimat. Richard & Eilish treffen mit ihrem selbstgebauten Rahsegler GRANUAILE auf der Reede ein. Auch die beiden kennen wir bereits aus Las Palmas. Am Abend verabreden wir uns zum Sundowner und unterhalten die Ankerlieger im weiten Umkreis mit flotter Musik. Aus Gitarre, Mandoline, Flöte, Waschbrett und Backskistendeckel ist schnell ein kleines Improvisationsorchester zusammengestellt, dass es wohl mit so mancher Philharmonie aufnehmen könnte, zumindest bei der Trinkfestigkeit.


Den nächsten Abend verbringen wir mit Asha & Helge von der GEGENWIND auf den Straßen von Sainte Anne und haben zum Abschluss des Tages eine völlig unerwartete, schrecklich glamouröse Begegnung. Der trainierte Soap-Zuschauer ist sicherlich bereits im Bilde...  Gehandicapt durch viel zu hohe Schuhe stöckelt eine auffällig restaurierte Dame mittleren Alters über das Pflaster der Promenade und trifft, vorerst noch unerkannt, unvermeidlich auf Katjas trockenen Humor. Zwischen den Leuten eines kleinen Filmteams sticht nun auch Robäääärt aus der Menge. Die ehemals notorischen Fernsehgucker unter uns beginnen gegenseitig ihr Gedächtnis zu durchwühlen und allmählich lichtet sich etwas der Nebel. Man einigt sich unter großen Selbstzweifeln auf die Geissens und Helge fasst schließlich den Mut, sie einfach mal zu fragen. Was wir bisher für eine surreal  überzeichnete Schöpfung des Boulevardfernsehens hielten, offenbart uns seinen realen Kern. Es gibt sie wirklich, die Geissens. Wir kommen mit den beiden in ein freundliches Gespräch über ihre und unsere Schiffsreise und werden vor dem Hintergrund ihres für RTL II produzierten Unterhaltungsunfugs doch noch angenehm überrascht. Den größten Schatten wirft tatsächlich die gewaltige Motoryacht mit der sie durch die Karibik pflügen.

 

2015-05-21 Abschied von Martinique

Bevor wir Martinique nun doch tatsächlich verlassen, nehmen wir das Volksfest zum Himmelfahrtstag in der Bucht von Sainte Anne natürlich noch mit. Die Straßen des kleinen Ortes sind mit Autos in Doppelreihe zugeparkt und am Strand dröhnen gewaltige Lautsprecherboxen. Ein großer Teil der Inselbevölkerung scheint sich hier versammelt zu haben, um die farbenprächtigen Regatten mit den traditionellen Booten zu verfolgen. Die Riesenjollen sind recht schwer zu manövrieren. Einige kentern und müssen vom Regattateam geborgen werden, andere verirren sich bei uns im Ankerfeld und verfehlen Papillon mitunter nur um wenige Zentimeter.


Zwei Tage später sind wir bei gemäßigten Winden in vollen Segeln unterwegs in Richtung Süden. Auf der Insel St. Lucia planen wir einen Übernachtungsstopp. Die kräftige Beschallung der Bucht durch eine der Strandbars, lässt uns dann gegen 02:00 Uhr morgens unseren Besuch frühzeitig beenden. Wir schlafen, wenn nun auch nur abwechselnd, draußen auf dem Meer weiter. Am nächsten Tag zieht das zauberhafte Panorama der Insel St. Vincent an uns vorbei. Vom Meer aus werfen wir einen Blick auf die Wallilabou Bay und das Fort Charlotte, zwei bekannte Drehorte von „Pirates oft the Caribbean“. Übernachten wollen wir in den verwaisten Buchten lieber nicht. Das Auswärtige Amt  der Heimat warnt vor Einsamkeit in dieser Gegend und den heute ansässigen Freibeutern, die vom „Kodex der Bruderschaft“ nichts wissen wollen. Kurz nach Einbruch der Dunkelheit erreichen wir die Insel Bequia und tasten uns in der mondlosen Nacht langsam an die Ankerlieger heran. Der Anker fällt sanft in den Sandboden und wir in die Kissen.

 

2015-05-23 Schlaraffenland




Wir erleben Bequia zur Mangosaison und damit quasi ein Schlaraffenland. Von einigen herrenlosen Bäumen etwas abseits der großen Ankerbucht rollen uns die Mangos geradeso in Mund und Rucksack. Unser Speiseplan erweitert sich um Mango-Curry als Hauptmahlzeit und Mango in Rum zum Nachtisch. Letztlich verführt uns das Überangebot sogar zum nächtlichen Marmeladekochen. Mit reichlich Mango-Mus, etwas Ingwer und einem Schuss Zitrone zaubern wir einige Gläser leckerste Mango-Marmelade und wären damit wohl einst zum größten Stolz unserer Großmütter aufgestiegen. Das Einkochen als Konservierungsmethode wurde wegen fehlender Gefriermöglichkeiten bei uns an Bord schon recht bald wiederentdeckt. So haben sich eigenhändig eingekochtes Hack- und Hähnchenfleisch als Konserven für die Atlantiküberquerung bestens bewährt.

Etwas abgelegen im Norden der kleinen Insel Bequia betreibt ein pensionierter Fischer auf seinem Grundstück seit 20 Jahren eine Zuchtstation für Karettschildkröten. Nach einer langen Wanderung kommen wir in der Mittagsglut dort an. Die Türen stehen offen. Wir sind die einzigen Besucher. In aller Ruhe schauen wir uns um, fotografieren die Schildkröten in ihren nach Entwicklungsstand getrennten Aufzuchtbecken, machen ab und zu einen großen Schritt über einen mitten im Durchgang schlafenden Hund und werden von einem zweiten Canis lupus familiaris eigenwilliger Rassenkreation freundlich begleitet. Nach einiger Zeit kommt ein älterer Herr mit freiem Oberkörper unter einer noch älteren, benzinbetriebenen Wasserpumpe hervorgekrochen, begrüßt uns persönlich und wird sofort zum willkommenen Adressaten einiger Fragen. Er spürt unser Interesse an seiner Arbeit, lehnt sich bequem ans Geländer und richtet sich auf ein längeres Gespräch ein. Wir beginnen den Defekt an seiner Wasserpumpe und mögliche Improvisationslösungen zu diskutieren. Dies brennt ihm verständlicherweise besonders unter den Nägeln. Die Karettschildkröten kommen wohl einige Tage ohne Wasser aus, sind aber in dieser Zeit nicht in der Lage, irgendwelche Nahrung aufzunehmen. Nach den aktuellen technischen Schwierigkeiten erfahren wir dann mehr über diese faszinierenden Tiere, die wir auch bereits auf dem Ozean angetroffen hatten. Sie bevölkern unseren Planeten seit etwa 250 Millionen Jahren und stehen dank ihres Marktwertes, rücksichtsloser Fischerei und zunehmender Umweltschäden nun unmittelbar vor der Ausrottung. Sie fallen unter das Washingtoner Artenschutzabkommen und gelten seit 1996 als „kritisch gefährdet“. Trotzdem bleiben ihre Panzer als Werkstoff für Schmuckstücke und Souvenirs nach wie vor begehrt. Menschen in den Industrieländern verurteilen zwar die fortdauernde Jagt auf diese Tiere in der 3. Welt besonders scharf und laut, sind aber gleichzeitig fast ausnahmslos die Abnehmer entsprechender Produkte. Viele Schildkröten verenden darüber hinaus als „Beifang“ in Fischernetzen. Rücksichtsvolle Fangmethoden wären möglich, sind aber zu aufwändig und damit zu teuer für eine marktkonforme Fischerei. Den Rest erledigen dann die Bebauung der Brutplätze mit herrlichen Strandhotels und die Besiedelung der Meere mit Plastiktüten. Letztere werden aber vor allem anderen Schildkrötenarten zum Verhängnis, die beim Fressen Plastikabfälle mit Quallen verwechseln. Ihre sehr geringe Reproduktionsrate macht den Wasserschildkröten eine Kompensation der zugefügten Verluste beinahe unmöglich. Man geht davon aus, dass von 2000 geschlüpften Jungtieren wegen zahlreicher Fressfeinde eines die Jahre bis zur Geschlechtsreife überlebt. Bei der Verbesserung der Reproduktion setzen die Zuchtstationen an. Neben einer größeren Anlage auf Kuba sei die besuchte Anlage die einzige für die „Echte Karettschildkröte“ in der Karibik, erfahren wir. Hier überleben etwa 15% der Jungtiere und werden später wieder im Ozean  ausgesetzt. Darüber hinaus unterhält der betagte Betreiber einen regen Kontakt zu den Schulen des Landes und hofft, mit Aufklärung ein Umdenken bei der nächsten Generation zu bewirken. Es ist der Zwang zur Effizienz, der Markt, der uns zukünftig ohne die eine oder andere Tierart auskommen lassen wird. Ob unser freundlicher Gesprächspartner mit Aufklärung der Jüngere dagegen ankommen wird? Wir wünschen ihm jedenfalls allen Erfolg.


 

2015-06-07 Duft der Karibik

Als nächsten Etappenstopp bekommen wir die Insel Canouan vor den Bug und verbringen einige Tage im kläglichen Rest der Insel, der den Einheimischen und damit auch uns als Individualtouristen nach erfolgreicher Privatisierung verblieben ist. Etwa zwei Drittel der Insel gehören einem italienischen "Investor" und sind für Spaziergänger nicht mehr zugänglich. Jede Wanderung endet da recht schnell an einem Schlagbaum. Für die Inselbewohner ist das eine erfreuliche Situation, denn es schafft Arbeitsaufträge, wenn z.B. der riesige Golfplatz zu pflegen und der Privatstrand auf der Atlantikseite vom ständig angespülten Sargassokraut zu befreien sind. Auf unserer Ozeanpassage segelten wir tagelang durch dichte Teppiche dieser Algen. Dort wo sie angespült werden, entwickeln sie nach wenigen Tagen einen sehr penetranten Geruch. Auf ihrem Weg vom „verbotenen Teil“ der Insel zur öffentlichen Deponie passieren uns täglich einige Lastwagen mit dieser betörenden Ladung und parfümieren für kurze Zeit die Gegend mit dem Duft ungepflegter Meerjungfrauen.

Wir versenken unseren Anker direkt vor dem täglich gesäuberten Strand einer gepflegten Hotelanlage, die in der aktuellen Nachsaison jedoch kaum mehr frequentiert zu sein scheint.



Die Strandliegen sind verwaist und die Gäste an den Fingern eines Sägewerkers abzählbar. Eine malerisch mit Palmwedeln bedeckte Strandbar offeriert eine enorme Auswahl an Alkoholika. Kein Barhocker ist besetzt und die schattigen Separees mit Meerblick im Umfeld der Bar bleiben die gesamte Zeit unseres Aufenthalts über menschenleer.

Deutlich belebter ist der kleine Ort. Wir werden überall freundlich begrüßt und angesprochen. Schwanzwedelnde Hunde begleiten fast jeden unserer Schritte, Ziegen passieren nach gescheitertem Anpflockversuch die Straßen, auf denen glückliche Hühner leben und ihren Nachwuchs großziehen. Für das Abendessen erstehen wir uns eine Brotfrucht, die seit Captain Blights zweiter Brotfruchtreise (die erst Reise mit der Bounty war ja bekanntermaßen gescheitert) hier auf den Inseln wächst. Nach wenigen Schritten mit unserer exotischen Anschaffung kennen wir bereits drei verschiedene Arten der Zubereitung und haben mehrfach einen ungetrübten Genuss gewünscht bekommen.

Von einer Anhöhe aus werfen wir einen Blick auf unser nächstes Reiseziel, die Tobago Cays. Dieses Rifflabyrinth gehört ebenfalls zum Hoheitsgebiet St. Vincents & Grenadins und war ein weiterer Drehort für den Film „Fluch der Karibik“. Die "einsame Insel", auf der Captain Jack Sparrow mit der schönen Miss Swann den ebenfalls schönen Rum vernichtet hatte, ist in der Ferne zu sehen. Wie dumm nur, dass die den ganzen Rum damals ins Feuer geschüttet haben. Johnny, Depp!

 

2015-06-14  Hi Hai!

Als sich ein zweitägiges Wetterfenster mit nur wenig Wind und Welle vom Atlantik her öffnet, tasten wir uns durch die Riffe der Tobago Cays zu einem geeigneten Ankerplatz vor. Das seichte Wasser leuchtet über dem weißen Sand in strahlendem Türkis. Noch bevor Papillon mit ihrem Ankergeschirr am Boden fixiert ist, werden uns bereits vier Dienstleistungsangebote von drei verschiedenen Boatboys offeriert, gegen deren Preisniveau beide Gehirnhälften im Einklang heftig rebellieren. Wir sind hier an einem touristischen Hotspot, der von Ausflugsbooten stark frequentiert und von allen Charterurlaubern im Aktionsradius mit Sicherheit heimgesucht wird. Entsprechend hoch liegen die noch verhandelbaren Einstiegspreise, aber letztlich auch die erzielbaren. Von Austerität und Spardiktat gebeugt, verneigen wir unsere Köpfe erstmal tief unter die Wasseroberfläche und genießen das leuchtende Schnorchelparadies. Am etwas entfernten Außenriff finden wir die für wahren Genuss notwendige Einsamkeit und bestaunen Schwärme von bunten Fischen, die sich durch die traumhafte Unterwasserlandschaft aus mehr oder weniger gesunden Korallenstöcken bewegen. Irgendwann ist immer das erste Mal und heute für die erste Haibegegnung unter Wasser. Auf den Kapverden hatten wir von Bord aus bereits das Vergnügen, aber nun sind wir bei ihm zuhause und hoffen auf seine Gastfreundschaft. Der etwas weniger als 2 Meter lange Ammenhai ist selbst auch nur an friedlichen Begegnungen mit Menschen interessiert und bleibt naturgemäß zurückhaltend. Aus der Distanz betrachten wir gegenseitig unsere bizarre Schönheit und lassen uns genügend Raum.

Über Wasser verwöhnen die mit Palmen bewachsenen Sandinseln das Auge des Karibikfreundes. Hier leben Leguane und einige Vogelarten. Außerdem gibt es in den Gewässern der Tobago Cays eine größere Population an „Suppenschildkröten“. So lautet tatsächlich die deutsche Bezeichnung der grünen Meeresschildkröte, die man im Gegensatz zur gelben Karettschildkröte auch auf vielen Ankerplätzen antrifft




2015-06-23 Karibik-Klischee und echte Verkäufer




Nach zwei Tagen Naturgenuss in den Cays legt uns die aufkommende Atlantikdünung die Weiterreise nahe. In Lee der benachbarten Insel Mayreau finden wir perfekten Schutz und genießen die ruhigsten Nächte seit langem. Der weiße Sandstrand wurde eigens für die Kreuzfahrttouristen gestaltet, die hier während der Saison von November bis April in Massen angelandet werden. Im Stile der Bacardi-Werbung entspricht er dem, was man sich aus der Ferne so unter „Karibik“ vorstellt, in der Realität aber nur selten findet. Angepflanzte Kokospalmen beschatten sauber gefegten Sand. Die reichlich dimensionierte Strandbar aus Naturmaterialien und der Grillplatz schmiegen sich sanft in die Landschaft. Daneben gibt es eine kleine Bühne für die Steelband. Schattige Sitzgelegenheiten ermöglichen wiederholten Rumgenuss bereits zur Mittagszeit. Nach einem kurzen Wortwechsel mit einer Angestellten des Besitzers bekommen wir eine freundliche Führung durch die zurzeit verlassene Anlage und eine Vorstellung von dem, was in der Hochsaison hier so geboten wird.


Unter unserem Schiff dreht währenddessen ein "Gefleckter Adlerrochen"  seine Runden. Vermutlich wirbelt unsere Ankerkette beim Schwojen Plankton nach seinem Geschmack vom Grund auf, so dass er tagsüber stets in der Nähe bleibt. Es ist faszinierend, wie diese Tiere scheinbar schwerelos durchs Wasser fliegen. Wir können uns kaum satt sehen und drängen uns mehrfach täglich zum Kurzbesuch unter der Wasseroberfläche auf.

Einige Tage später reißen wir uns bei Bilderbuchsegelwetter dann doch von Mayreau los und lassen uns weiter südwärts nach Carriacou verblasen. Wegen des Grenzübertritts von St. Vincent & Grenadins nach Grenada müssen wir unterwegs noch den Grenzhafen Clifton auf Union Island anlaufen und unliebsamen Papierkram erledigen. Die gleiche Prozedur erwartet uns nochmal bei der Ankunft in Carriacou. Danach erst halten wir uns offiziell in Grenada auf und setzen die fabrikneue Grenada-Gastlandflagge, die mit ihren bunten Mustern sehr an einen Fröbel-Baukasten aus unserer Kindheit erinnert.

Inzwischen haben sich alle ortsansässigen Boatboys einzeln und mit guter Verkaufstechnik bei uns vorgestellt. Nach einer kurzen Aufwärmphase („Ich bin Simon und Deutschland ist gut.“) steigen sie vorbildlich in einen Mehrproduktverkauf ein („Bei mir gibt es Apfelsinen oder Mangos oder Austern oder Wein. Was möchtest Du?“), unterbreiten auch das eine oder andere Cross-Selling-Angebot („Ich mache auch Inselführungen oder Müllentsorgung.“) und verabschieden sich zwar mitunter ohne Verkaufsabschluss aber niemals ohne Folgetermin („Morgen bin ich wieder da.“). Echte Verkäufernaturen eben!

 

2015-06-30 Carriacou


An den folgenden Tagen zeigen wir verstärkt Verhaltensweisen von Landlebewesen. Ausgedehnte Wanderungen am Strand, durch dichte Mangrovenlabyrinthe und auf den zweithöchsten Vulkankegel der Insel bestimmen unser Programm. Gemeinsam mit anderen Seglern aus aller Welt chartern wir einen Kleinbus und lassen uns vom lokalen Fahrer an die Attraktionen Carriacous heranführen. Highlight für die Gruppe segelnder Weltenbummler ist wohl der Besuch einer kleinen Werft. Hier werden mit großzügigen Konstruktionsvorgaben und beachtlichen Spaltmaßen aus gerade verfügbaren Materialresten in Handarbeit Holzschiffe gebaut. Keine technische Zeichnung, keine Bauvorgaben, kein zertifiziertes Holz, genagelte Planken…? Die Zweifel an der Seetüchtigkeit der Produkte stehen dem einen oder anderen Schiffsbauingenieur auf dem dritten Bildungsweg mit fundiertem Halbwissen aus einschlägigen Internetforen und seichten Fachzeitschriften deutlich im sorgengefalteten Gesicht. Schließlich überwindet doch jemand seine fachliche Bescheidenheit und fragt, wie viele der hier gebauten Schiffe wohl noch schwimmen würden. Wenn sie nicht bereits auf den Riffen gestrandet sind, schwimmen sie wohl noch, erfahren wir daraufhin in karibischer Gelassenheit.


Einige Tage später verführt das Wetter zum Segeln und wir erkunden im Konvoi umliegende Inselchen. Auf der unbewohnten, winzigen Sandinsel „Sandy Island“ beteiligen wir uns an einem Strandbarbecue mit den Crews von vier weiteren Yachten. Im Tageslicht genießen wir vorher schnorchelnd die fischreiche Unterwasserwelt in den flachen Gewässern vor der Insel.  Besonders fasziniert uns eine Gruppe kleiner Sepien, die uns aus großen Augen zu beobachten scheint. Außergewöhnlich helle Lichterscheinungen im Wasser während der mondlosen Nächte, die wir vor der Insel Mayreau verbrachten, hatten uns bereits Sepien vermuten lassen. Im Tageslicht waren dort jedoch keine zu entdecken.

Der Insel „Petit Martinique“ werden wegen angeblicher zollrechtlicher Besonderheiten günstige Versorgungsmöglichkeiten mit Diesel und Rum nachgesagt, was sie zunächst für unsere Route prädestiniert. Leider ließ sich das aber vor Ort nicht bestätigen. Einen sehr schönen, jedoch auch etwas unruhigen Ankerplatz finden wir in Lee der benachbarten Privatinsel „Petit St. Vincent“. Dort gibt es ein Luxusressort mit zahlreichen, verstreut liegenden Bungalows für den betuchten, Ruhe suchenden Individualtouristen. Yachties dürfen hier ankern, schnorcheln, die Strandbar besuchen und etwas Kulisse bieten. Die Insel selbst bleibt den Ressortgästen vorbehalten.


2015-07-08 Espresso-Fahrt

Der tropische Sommer und damit die Regenzeit bestimmen zunehmend das Wettergeschehen auf den Windward Inseln. Sonne und kurze, kräftige Regenschauer wechseln einander ab. Komplett regenfreie Tage werden immer seltener. Die Vegetation legt noch einmal ordentlich zu. Es blüht üppig in den Vorgärten.


Nach Wetterdiktat nehmen wir die letzten Seemeilen bis zur Hauptinsel Grenada in Angriff. Wind und Seegang zeigen sich gnädig. Beinahe könnte man von einer Kaffeefahrt reden, hätten Squalls mit tropischen Regengüssen die Idylle nicht immer wieder grausam gestört. Der Himmel verdunkelt sich. Das Meer ändert seine Farbe von Blau auf Schwarz. Wir reffen eilig die Segel in Erwartung kräftiger Böen, die kurz darauf mit viel Süßwasser tobend über Papillon herfallen. Dann wird es einsam. Bei einer Sicht von nur noch wenigen Metern ist von der Welt ringsum nichts mehr zu sehen. Fauchender Wind zerrt am verbliebenen Rest Segeltuch und erschwert mit Unterstützung der Ozeanwellen dem Autopiloten den Dienst. Also wird per Hand gesteuert … im waagerechten Regen. Da bleibt kein Auge trocken. Nach wenigen Minuten hellt sich der Himmel auf. Die Sonne trocknet die Sitzflächen im Cockpit. Unser Autopilot übernimmt wieder seine Aufgabe und der Skipper erhält ein trockenes T-Shirt. Es wird ausgerefft und PAPILLON gleitet wieder über das blau leuchtende Meer. Wenig später verdunkelt sich der Himmel. Das Meer ändert seine Farbe …, und das Spiel beginnt von vorn. Nach fünf solcher Zyklen erreichen wir völlig zerzaust schließlich die Clarkes Court Bay im Süden Grenadas. Unsere Freunde von der CHEVALDY haben einen kräftigen Eintopf auf dem Herd und laden zur Stärkung ein. Vielen Dank an Sabine & John!

2015-07-25 Vom ungestörten Frühstück



Wenige Tage später stehen wir aufgeregt vor dem Ankunftsgate am Airport von Grenada. Mit glühenden Wangen beobachten wir das quälend langsame Dahinschleichen der Minuten an der Tafel über unseren Köpfen, während wir unsere Tochter aus Deutschland erwarten. Die Abendluft erscheint uns deutlich schwüler als sonst. Längst haben wir mit unzähligen Taxifahrern Bekanntschaft geschlossen und auch bereits einen vorteilhaften Beförderungsvertrag für unsere Rückfahrt zum Schiff ausgehandelt. Auf den Touristenrouten gibt es zwar feste Preise weit oberhalb der üblichen Tarife, aber auch ein deutliches Überangebot, das uns zu Verhandlungen verführt.

An der Wand reihen sich die Fotografien überstandener Ministerpräsidenten und Gouverneure, bis hin zu den aktuellen chronologisch aneinander. Die Zeitrechnung beginnt Ende der 70-er Jahre mit dem 1983 exekutierten Maurice Bishop, dessen Namen der Flughafen heute trägt. Zu Bishops Regierungszeit wurde der Flughafen gebaut um den Tourismus in Grenada zu fördern. Mit linken Sozialreformen und diplomatischen Beziehungen in den Ostblock wurde er für die USA schnell zum Bindeglied zwischen Castro und Allende auf der damaligen „Achse des Bösen“, die sich seinerzeit noch über den eigenen Kontinent zog. Neben Berichten in den US-Medien über den Bau einer sowjetischen U-Boot-Basis im Süden Grenadas, die später dementiert werden mussten und Meldungen des US-Verteidigungsministeriums über umfangreiche sowjetische Waffenlieferungen an Grenada, argumentierte Ronald Reagan im amerikanischen Fernsehen, dass der im Bau befindliche Flughafen aufgrund seiner Größe nur ein Stützpunkt für sowjetisches und kubanisches Militär sein könne und die Sicherheit der Vereinigten Staaten gefährde. Im Herbst 1983 kam es zur US-Militärinvasion „Operation Urgent Fury“, an deren Medienecho wir uns noch aus Kindertagen schwach erinnern. Konnte von den sowjetischen Waffen damals auch nichts gefunden werden, so wurde aber wenigstens der militärische Ausbau des Flughafens Realität. Das war zwar erst nach der Invasion und durch die Amerikaner selbst, aber immerhin…

Eine Resolution der Vereinten Nationen verurteilte 1983 die US-Invasion als Verletzung internationalen Rechts, scheiterte aber letztlich am Veto der USA. Wikipedia zitiert Ronald Reagans Antwort auf die Resolution wie folgt:

“One hundred nations in the UN have not agreed with us on just about everything that's come before them where we're involved, and it didn't upset my breakfast at all.”

„Einhundert Nationen in der UN waren mit so ziemlich allem nicht einverstanden, was ihnen da, wo wir beteiligt waren, widerfuhr, und es hat mein Frühstück in keiner Weise gestört.“ [https://de.wikipedia.org/wiki/US-Invasion_in_Grenada#cite_note-150]

Wer sich für die näheren Umstände der „Operation Urgent Fury“ interessiert, dem empfehlen wir einen Besuch auf der Seite von Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/US-Invasion_in_Grenada

Damit beenden wir unsere Recherchen zur Geschichte des Flughafens, denn das Ankunftsgate spuckt bereits die ersten Passagiere des von uns so sehnlich erwarteten Fluges aus. Taxifahrer kämpfen um Fahrgäste und wir starren wie gebannt auf die sich gelegentlich öffnende Schiebetür. Endlich ist da unser Kind und erscheint wie bei jeder Begegnung so viel größer und erwachsener als in all unseren Erinnerungen. Eltern eben!

2015-08-05 Achterbahn im Stehen

Mit dauerhaft erhöhtem Endorphinspiegel genießen wir die Zeit zu dritt und die touristischen Angebote Grenadas. Die Insel ist bis an die Uferzonen hinab sehr grün. Über die Berge im Inselinneren erstreckt sich ein dichter Regenwald mit einigen touristisch teilerschlossenen Wasserfällen. Wie auch auf anderen Karibikinseln verkehren meist überfüllte, private Kleinbusse/ Sammeltaxis ohne jeden Fahrplan auf beinahe festgelegten Streckennetzen. Gegen ein paar Extradollar kann man den Routenverlauf der eigenen Reiseplanung recht unkompliziert anpassen. In fast allen Bussen gibt es außer dem Fahrer noch eine Begleitperson, die den Fahrpreis kassiert, beim Ein- und Aussteigen hilft, die Reisenden mit möglichst wenigen Lufteinschlüssen einsortiert und falls dann doch noch Platz ist, weitere Fahrgäste von der Straße akquiriert. Da sich einige anfangs etwas zu sträuben schienen, hatten wir mitunter den Eindruck, nicht jeder der verfrachtet wurde, wollte ursprünglich auch wirklich Bus fahren. Egal! Faszinierend für den europäischen Betrachter ist auch immer wieder die Gelassenheit der Fahrgäste. Da werden Rentner in ohrenbetäubender Lautstärke mit flotten Rhythmen beschallt, die etwa 10 cm Abstand zwischen einer Doppelsitzbank und dem klappbaren Notsitz mit einem Kissen überbrückt, so dass sich im tropisch aufgeheizten, nicht klimatisierten Van vier Erwachsene auf drei Plätzen arrangieren können. Es gibt Wartepausen, bis Reisende ihr Gespräch durch das offene Seitenfenster mit Passanten beendet haben, bis sich herannahende Reisewillige irgendwann endlich einen steilen Weg bis zur Straße hinaufgequält haben. Man dreht einige Extrarunden durch die Orte um weitere Fahrgäste aufzusammeln und erledigt nebenher Kurierdienste. Niemand nimmt Anstoß oder beschwert sich. Da bietet zuhause jeder leicht verspätete ICE mit defekter Klimaanlage weitaus mehr Gruppendynamik und Endzeitstimmung…

In den folgenden Tagen klettern wir also auf verschlammten Regenwaldpfaden zu Wasserfällen und zum Kratersee,



streifen durch exotische Obstplantagen, sehen uns die Rum- und Kakaoherstellung im Norden Grenadas an und legen zwischendurch immer mal wieder einen Badetag mit viel Eiskaffee an Bord der Papillon ein, um unsere geschundenen Körper zu regenerieren und etwas Familienplausch abzuhalten. Gemeinsam mit den Crews der CHEVALDY und der GRANUAILE organisieren wir einen Grillabend am Strand von Hog Island, verkokeln lecker Fleisch und fragen uns im Sonnenuntergang, von John auf der Gitarre begleitet, wer wohl zum Teufel Alice ist.

Läuft man auf den Karibikinseln am Straßenrand entlang oder wartet auf den Bus, ist es keine Seltenheit, dass ein Auto anhält und freundlich eine Mitfahrgelegenheit anbietet. Wir schleppen uns gerade über den heißen Asphalt einer Nebenstraße auf dem Weg zum nächsten Bus, der uns nach ausgedehnter Wanderung wieder zurück in die Zivilisation bringen soll, als ein riesiger Bau-Kipper in einer Staubwolke direkt neben uns zum Stehen kommt. Mit ein paar Straßenbauarbeitern stehen wir kurz darauf auf der wackeligen Ladefläche, krallen uns bei jeder Bodenwelle am Fahrerhaus fest und sind erleichtert, als wir schließlich die ebenere Hauptstraße erreichen. Die Illusion eines nun sinkenden Adrenalinspiegels währt nur kurz. Man ist auf dem Weg in den Feierabend und hat es eilig, also wirklich eilig. Grenadas Straßen sind eng, kurvenreich und unübersichtlich. Aus luftiger Höhe verfolgen wir fassungslos die Überholmanöver unseres Fahrers, unsere verkrampften Hände lockern den Griff nicht mehr. Zwischendurch öffnen sich herrliche Panoramen. Der erhöhte Platz gibt immer wieder den Blick auf die malerische Küste frei, bevor uns der Anblick des vor uns auftauchenden Gegenverkehrs die Augen wieder zusammenkneifen lässt. Alle Bodenunebenheiten werden authentisch an uns durchgereicht. Wir fahren Achterbahn im Stehen. Geil! Vollgepumpt mit Adrenalin klettern wir schließlich vom LKW. Unser jugendlicher Besuch bekommt das Lächeln bis zur Dunkelheit nicht aus dem Gesicht.



2015-08-11 Wir sind kein Star

Schon wieder stehen wir am Airport von Grenada, diesmal mit tendenziell hängenden Ohren. Gerade haben wir unsere Tochter verabschiedet und erwarten nun auf einem nahen Hügel den inzwischen längst überfälligen Start der American-Airlines-Maschine nach Miami. Doch am Gate rührt sich nichts. Wir vermuten, Jenny hat vielleicht doch ausgetreten und behindert nun den Flugverkehr. „Kick ‘em Jenny“ ist der Name eines Unterwasservulkans etwas nördlich von Grenada, der seit einiger Zeit wieder rumort. Der letzte Ausbruch liegt 11 Jahre zurück. Erst kürzlich wurde die Warnstufe von „gelb“ auf „orange“ erhöht. Leider haben wir gerade jetzt keinen Internetzugang und tappen mit unseren Vermutungen im Dunkeln. Wie wir später an Bord der PAPILLON erfahren, ist ganz Grenada heute offline. Darin liegt auch der Grund für den letztlich 5 Stunden verspäteten Start des Fluges. Die Passagierdaten können nicht vorab in die USA zur Sicherheitsüberprüfung versandt werden und deshalb darf der Flieger so lange auch nicht abheben. Alle anderen Ziele werden angeflogen, nur die Vereinigten Staaten eben nicht. Alternative Kommunikationswege zur Bestätigung, dass kein namentlich bekannter Terrorist an Bord ist, gibt es offensichtlich auch nicht. Beinahe jeder segelnde Seenomade auf unserem Ankerfeld kann Mails über Kurzwellenfunk oder Satellitentelefon rund um den Globus versenden. Die Airline nicht. Mit dem verspäteten Start ist natürlich auch der Anschlussflug ab Miami Geschichte und unserer „Kleinen“ wird in der Folge ein unvergessliches Abenteuer auf unerwarteten Reisewegen beschert.

Wir setzen derweil unser Besichtigungsprogramm auf Grenada fort und besteigen den Mt. Qua Qua, die höchste Erhebung eines Kraterrandes im Grand Etang Nationalpark.




Der Aufstieg folgt eben diesem Kraterrand, der sich oft auf weniger als einen Meter verengt und an beiden Seiten spektakulär steil abfällt. Hohe Luftfeuchtigkeit und häufiger Regen haben den teils über Holzstufen führenden Weg aufgeweicht. Mitunter lässt schlechter Halt unsere Wanderschritte in eine freie Breakdance-Interpretation übergehen. Trotzdem fühlen wir uns recht sicher und werden mit herrlichen Panoramen und trockenem Wetter von oben belohnt. Unweit des Gipfels werden zwei alternative Abstiege angeboten, die jeweils zu Wasserfällen und später einem Straßenanschluss mit Busverkehr führen. Wir hatten bereits darüber gelesen und uns die Wegbeschreibungen unbekannten Alters aus dem Netz gezogen. Der Tag ist noch jung und wir sind nach einem Picknick auf dem einsamen Gipfel über dem Regenwald voller Elan. Bereits nach wenigen Metern wird der von nun an nicht weiter beschilderte „Weg“ zum schmalen Dschungelpfad und ist meistens auch nur entsprechend vage zu erkennen. Wir klettern über Steine einen Bachlauf entlang, dürfen den mitunter abzweigenden Trampelpfad durch dichtes Blätterwerk nicht verpassen, werden von Echsen unterschiedlicher Größe ungläubig beäugt, hangeln uns an Wurzeln steile Hänge auf- und abwärts, überqueren immer wieder den breiter werdenden Bach über glitschige Steine und suchen geduldig und zunehmend zweifelnd nach der Fortsetzung des Pfades. Landschaftlich absolut reizvoll, bringt uns der eingeschlagene Weg nicht nur allmählich an die Grenzen des Regenwaldes sondern auch recht nahe an die eigenen. Im unwegsamen Gelände kommen wir oft nur langsam vorwärts und die Kletterei zehrt an den Kräften. Die Wegführung ist über weite Strecken mehr interpretiert als erkannt. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass wir Teile der beschwerlichen Strecke wieder zurück müssen, weil wir den tatsächlichen Dschungelpfad irgendwo verlassen haben und stattdessen vielleicht einem winzigen Regenwasserlauf folgen. Jede in den Lehmboden gegrabene Stufe oder Fußspur ist uns ein willkommener Wegweiser. Nach etwa 4 Stunden erreichen wir die in unserer Wegbeschreibung aus dem Internet erwähnte, grob in den Fels geschlagene Treppe. Sie führt unweit des Wasserfalls einen steilen Abhang durch dichtes Blattgrün hinab. Die Stufen sind teilweise im Morast verschwunden und das einst zum sicheren Abstieg gespannte Seil ist nur noch rudimentär und mit zweifelhafter Befestigung vorhanden. Unsere Wegbeschreibung ist wohl doch schon älteren Datums. Gegenseitig gesichert und mit einem Stecken abgestützt, tasten wir uns langsam nach unten. Eine Stunde später stehen wir schließlich triefend nass, mit Schlamm beschmiert und sichtlich erschöpft vor einem der Concord-Wasserfälle.



Gereinigt, erfrischt und gestärkt nehmen wir später das letzte, sehr leichte Stück Strecke zurück in die Zivilisation in Angriff. Wir spüren jeden Muskel, als wir PAPILLON in der Dunkelheit erreichen. Unsere Schuhe sind durchgeweicht und die Füße schneeweiß und aufgequollen. Während wir sie dick eincremen denken wir an die grandiosen Naturerlebnisse des Tages und die Einsamkeit des Regenwaldes, in dem wir den ganzen Tag über keiner Menschenseele begegnet sind. Mit einem leisen Knacken und dem folgenden Zischen aus einer wohltemperierten Dose Carib-Bier verliert sich der Rest in der sternenklaren Nacht.


2015-08-18 Ausnahmezustand


Schrill präsentieren sich dagegen die nachfolgenden Tage. Mitte August feiern die Grenader ihren Karneval (Spicemas). Knallbunte Paraden, von dröhnenden Lautsprecherwagen begleitet, ziehen sich durch die Straßen der Hauptstadt St. George. Von der Sonne gemartert und den optischen Eindrücken überwältigt, kehren wir an beiden Abenden mit schlaggernden Trommelfellen wieder zu unserem Ankerplatz zurück.







In einer weiteren, weniger glamourösen Parade (der „Old Mas“) wird mit kritischen Parolen auf umgehängten Pappschildern karnevalistisch aufbegehrt und auch der politischen Dimension des Karnevals Rechnung getragen.


2015-08-20 WASSERMUSIK (karibisch „gehändelt“)

In der Nachbarbucht betreibt ein Schweizer Ehepaar einen kleinen Yachthafen. Sie sind selbst musikbegeistert und veranstalten wöchentlich einen Abend mit Livemusik am Strand ihrer Marina. Als marinekultureller Höhepunkt wird darüber hinaus einmal im Monat ein "Dinghikonzert" für die gerade im Umfeld siedelnden Seenomaden organisiert. Dazu wird eine schwimmende Plattform mit Bühne, Bar und Technik in der Bucht verankert und ein Open-Air-Konzert gegeben. Die Gäste sitzen, stehen oder tanzen in ihren auf den Wellen reitenden Schlauchbooten, die traubenförmig an dem Schwimmponton festgemacht werden. Wir richten es uns in unserem Dinghi ein und genießen die tolle Musik und die super Stimmung. Diesmal gibt es außerdem Sponsoring von einem der ortsansässigen Schiffsausrüster und so fliegen T-Shirts und Freibierdosen durch die Luft, werden geschickt gefangen oder nach verpatztem Manöver mit einem kühnen Sprung ins Wasser spektakulär gerettet.



Dinghikonzert



2015-08-26 Kirani Town

Unsere Wanderrucksäcke stehen prall gepackt vor dem Niedergang während wir den Himmel flehend nach einem Wolkenloch und diverse Onlinewetterdienste nach einem Ende der Regenschauer absuchen. Wir sind mit der Crew der ELBE zur Vulkanwanderung verabredet. Nachdem wir uns zu viert die Sturzbäche auf den schlammigen Wegen in den Bergen in allen Farben ausgemalt haben, entscheiden wir uns zur Planänderung und damit für das kleine Örtchen Gouyave und seine benachbarten Gewürzfarmen.
Glücklich, der feucht-heißen Luft des proppenvollen Busses wieder entkommen zu sein, laufen wir die abgesperrte Hauptstraße von Gouyave entlang. Laute Musik dröhnt uns entgegen. Die Menschen tanzen, mit grenadischen Fahnen geschmückt, quer über die ganze Straße. Etwas irritiert finden wir uns plötzlich inmitten eines Volksfestes mit ausgelassener Stimmung wieder. Während um uns herum Fahnen und Hüften nach heißen Rhythmen geschwungen werden, spricht man uns freundlich an, erkundigt sich nach unserer Herkunft, wünscht einen schönen Aufenthalt und fragt, ob wir vielleicht Kiranis Elternhaus fotografieren wollten. Wir sind in Kirani Town. Der inzwischen knapp 23-jährige Kirani James hat über die 400m-Strecke bei der Weltmeisterschaft 2011 und bei den Olympischen Spielen 2012 die Goldmedaille nach Grenada gebracht. Heute ist er zum Stolz der kleinen Karibiknation bei der WM in Beijing Drittplatzierter geworden, also ist mächtig Party hier in seinem Heimatort


 

2015-09-07 Time for Lime

Ein viertel Jahr lang befinden wir uns inzwischen in grenadischen Gewässern und müssen demnächst zur Immigration um die Visa zu verlängern. Derweil reihen sich draußen im Atlantik die tropischen Stürme aneinander. Oft bilden sie sich vor der afrikanischen Küste, halten lange Kurs auf die Karibik und drehen dann hoffentlich rechtzeitig in nördlicher Richtung ab. Ein wachsames Auge an Bord bleibt stets auf die Meldungen des „National Hurricane Center“ in Miami gerichtet. In alphabetischer Reihenfolge erhalten die Tropenstürme abwechselnd männliche und weibliche Namen. Auf dem Ostatlantik plustert sich „Grace“ gerade auf, während Fred mit einem Nordostkurs bereits in Auflösung befindlich ist. Den größten Schaden der aktuellen Hurrikansaison hat bislang „Erika“ angerichtet. Sie hat die Insel Dominica mit Starkregen eingedeckt, große Überschwemmungen und Schlammlawinen verursacht und damit zahlreiche Straßen und die beiden Flughäfen demoliert. Bis Ende November rollen wohl noch einige dieser Tropenstürme über den aufgeheizten Atlantik heran. Danach sollte uns der Weg nach Norden wieder offen stehen.

Unseren ausgedehnten Boxenstopp in der statistisch weniger sturmgeplagten Südkaribik nutzen wir derweil um Grenada näher kennenzulernen und anstehende Wartungs- und Reparaturarbeiten an PAPILLON auszuführen. Dringendste Baustelle ist der Katadyn-Watermaker, der nach und nach seinen Dienst verweigert. Über den sehr hilfsbereiten Kundendienst in Deutschland bekommen wir die Garantie-Ersatzteile per DHL von der Firmenzentrale in Zürich nach Grenada geliefert. Gespannt verfolgen wir den Weg des Päckchens über das Internet. Von Zürich über Basel, Leipzig, Madrid, Bogota (Kolumbien), Panama City, Maiquetia (Venezuela) und Port of Spain (Trinidad) erreicht es Grenada nach nur 5 Tagen. Für uns folgen weitere zwei Tage Spaß am Zoll und ein Tag für die Selbstmontage bis endlich wieder gutes Trinkwasser aus unserer Seewasserentsalzungsanlage tropft um schließlich in glücklichen Gesichtern zu verschwinden. Im tropischen Klima lässt es sich jedoch nicht täglich und dann auch nicht immer leicht zur Arbeit motivieren. Bei den Einheimischen nennen sich die resultierenden, bewegungsgehemmten Ersatzhandlungen „Lime“ und werden auch so als karibischer Lebensstil in Touristenheftchen beworben. In unserem Kulturkreis ist die nicht medizinisch begründete Entschleunigung des Lebens so verpönt, dass uns zeitweise ein schlechtes Gewissen überkommt und zu mehr körperlicher Bewegung drängt. Nach einer ausgedehnten Wanderung durch die Mangroven schlurfen wir über den heißen Asphalt zurück in bewohnte Gegenden. Die Sonne knallt auf die Mützen. Das Wasser in den Trinkflaschen schwindet unter beachtlicher Temperaturzunahme. Mit Mühe heben wir ab und zu die Köpfe für einen Blick in die Landschaft. Plötzlich erhöht sich die Schrittfrequenz des Skippers, während der Blick starr über den flimmernden Asphalt auf ein Werbeschild in Form eines historischen Holzfasses mit der Aufschrift „West Indies Beer“ fixiert bleibt. So ein Zufall! Ort und Zeit hätten nicht besser zusammenpassen können. Britische Einwanderer mit ausgeprägtem Bierdurst haben diese Oase der äthyltoxischen Entspannung geschaffen und schenken knapp ein Duzend würzige, selbst gebraute, gut gekühlte Sorten aus. Ausgefallene Namen wie „Lazy Pelikan“, „Rogue Pirate“ oder „Old Mongoose“ deuten auf reichlichen Eigengenuss vor der Vermarktung. Wir sinken auf die massiven Holzbänke. Der Rest ist Lime.


Clarks Court Bay, Grenada



2015-09-13 On On

Kleine Lücken im üppig blühenden Oleander geben immer wieder den Blick auf eine malerische Bucht in Grenadas Norden frei. Das Meer liegt beinahe so unbewegt, wie das Wasser im kleinen, trüben Weiher auf der anderen Seite, um den sich der schmale Pfad durch hüfthohes Gras schlängelt. Etwas abseits grasen angepflockte Ziegen und Rinder träge in der Landschaft. Es ist ein idyllischer Ort zum Verweilen, an dem unser Freizeitkapitän mit tief hängender Zunge durch die Nachmittagshitze keucht. Am Lauftight gibt es keinen trockenen Zipfel mehr, mit dem der Schweiß aus dem Gesicht gewischt werden könnte. In seiner Tasche klimpert etwas Kleingeld und tröstet zumindest mit der theoretischen Möglichkeit eines Taxitransfers, falls der miserable Trainingszustand nach drei Jahren Laufpause für den ersten Hash doch nicht ausreichen sollte. Elli & Bernd von der ELBE sind begeisterte Hasher und haben auf ihrer Segelreise rund um den Globus an zahlreichen Läufen in vielen Ländern teilgenommen. Durch sie wird uns nun diese traditionelle Entspannungstechnik mit anschließendem Genuss von Brauereiprodukten näher gebracht. Während die beiden Frauen die Walking-Runde absolvieren, sind die Männer mit den Runnern im teils unwegsamen Gelände unterwegs.
Die Idee zu diesem etwas skurrilen Volks-/ Orientierungslauf stammt offiziell von einer Gruppe britischer Kolonialoffiziere und deren Trinkkumpanen. Sie gründeten 1950 in Indonesien einen Verein mit Satzungszielen, wie der Förderung der physischen Fitness seiner Mitglieder, sowie dem Generieren eines guten Durstes, der später mit Bier zu stillen sei. Schon bald verbreiteten sich diese edlen Ziele über den gesamten Globus. Selbst in der Antarktis gibt es nach Wikipedia
https://de.wikipedia.org/wiki/Hash_House_Harriers inzwischen Ableger dieses „Trinkvereins mit einem Laufproblem“, wie sich die Hasher selbst nennen.
Nach dem Lauf werden wir "Virgins" (also Erstteilnehmer) mit einer Entjungferungsurkunde formell in die Gemeinschaft aufgenommen, die nun mit Bier und Imbiss in den Händen noch für einige Zeit die Durchfahrtstraße des kleinen Ortes blockieren wird.
Im Gegensatz zur Anfahrt, auf der unser Bus sein linkes Hinterrad verlor, nachdem der letzte Radbolzen durchgebrochen war, verlief die Rückfahrt beinahe angenehm. Nur einige Hasher hatten das mit dem Trinkverein sehr ernst genommen und nun deutliche Probleme mit der Schallregulierung.



Im Stockdunkeln kehren wir zum Schiff zurück. Aus Respekt vor nachtaktiven Raubfischen vermeiden wir normalerweise ein Bad im Meer nach Sonnenuntergang. Heute mahnen unsere Ausdünstungen jedoch entschieden zum Regelbruch. Es ist grandios. Das Leuchtplankton übersäht unsere Körper mit tausenden Sternen. Jede Bewegung zieht einen Meteoritenschweif durch das spiegelglatte, tiefschwarze Wasser. Wir spielen mit der faszinierend glitzernden Traumwelt und lassen die Anspannungen des Tages abperlen.


2015-09-27 Auftanken im Paradies

Selbstverständlich sind wir auch beim nächsten Hash eine Woche später wieder dabei und schlagen uns diesmal weit abseits der Küste im Laufschritt durch den grenadischen Dschungel. Die reizvolle Strecke führt durch dichten Blätterwald, über rund geschliffene Steine in einem klaren Bachlauf und über schlammige Pfade, auf denen Luftwurzeln oft der einzige Halt, aber auch permanente Stolperfallen sind.  Mit dem „Schrei des wilden Mannes“ verabschiedet sich der eine oder andere Läufer auf einer flachen ballistischen Kurve in die Sträucher. Man hilft sich gegenseitig wieder auf die Füße und läuft anschließend stark verkrustet weiter. Spielen im Dreck, das verbindet!

Unser Alltag an Bord wird jetzt außerhalb der Segelsaison von einer Liste kleiner Reparaturen und zahlreicher Besorgungen dominiert. Besonders die Materialbeschaffung verlangt dabei immer wieder nach Ausdauer und kreativen Lösungen. Vieles ist vor Ort nicht oder nur sehr teuer zu bekommen. Einiges sollte besser aus entfernten Regionen dieser Welt via Internet bestellt werden. Angenehm ist auf jeden Fall das herrliche Ambiente beim Durchforsten möglicher Onlineangebote, wie hier in der nahen Le Phare Bleu Marina mit ihrem schnellen WiFi-Netz:


Am Pool der Le Phare Bleu Marina

Inzwischen sind die Einkaufsliste fast abgearbeitet und notwendige Bestellungen auf den Weg gebracht. Nun bleibt die bange Frage nach der Lieferung bis zu unserem Auskrantermin Ende Oktober. Dann gehen wir für einige Tage in die Werft, streichen neues Antifouling auf und führen anstehende Wartungsarbeiten am Unterwasserschiff aus. Zwischen die eigenen Bastelarbeiten auf der PAPILLON gesellt sich zur Abwechslung auch ein Tag, an dem mal durch eine fremde Bilge gerobbt wird. Unser Ankernachbar von der ELBE hat mit einer Störung in seiner Bordelektrik um Hilfe gebeten. Außerdem haben wir gerade den Wartungsplan für den Außenbordmotor vom Dinghi situationsgetrieben vorgezogen.
Von vorgelagerten Riffen vor der Ozeandünung geschützt, kann man das Schlauchboot hier im Süden Grenadas auch für ausgedehntere Strecken zwischen den Ankerbuchten ganz gut einsetzen. Die geringe, auflandige Strömung erlaubt notfalls sogar den Muskelantrieb. Mit stotterndem Quirl am Dinghi tuckern wir im Sonnenuntergang zwischen den Riffen am Mt. Hartmann. Nach wenigen Metern Fahrt stellt der Motor immer wieder ab. Noch strahlt der Himmel für einige Minuten in einer Komposition aus Gelbtönen und das Meer leuchtet in einem schwachen Hellblau bevor beides sehr schnell das Schwarz der Nacht annehmen wird. Es ist noch weit bis zur PAPILLON und so entscheiden wir uns mit einem selbstmitleidigen Blick auf die mitgeführten Ruderriemen doch noch für weitere Startversuche des störrischen Außenborders. Im Standgas kommen wir gerade etwas vorwärts, als ein PS-stärkeres Schlauchboot von Achtern heranbraust. Ein naher Ankerlieger hatte beim Sundowner unser Ringen mit der Technik beobachtet und sich spontan zur Hilfe entschlossen. Im letzten Tageslicht stellt er sich als Skipper der NIGHTWATCH vor und schleppt uns in die Nacht hinein zu unserem Schiff zurück. Der nächste Tag gehört also dem Außenbordmotor. Technisch unterscheidet sich da wenig zum Moped aus längst vergangenen Jugendtagen und so ist das Kraftstoffsystem einschließlich Vergaser schnell in alter Routine zerlegt, gereinigt und wieder montiert. Jede Menge Wasser und sogar etwas Sand im Karibiksprit präsentieren sich als ärgerliche Ursache. Wir nehmen es mit karibischer Gelassenheit. Tatsächlich wird hier von den Einheimischen mit etwas fröhlichem Spott aus oft lückenhaft bestücktem Mundwerk lächelnd über vieles hinweggesehen, was im heimatlich-europäischem Kulturkreis womöglich längst Zivilgerichte beschäftigt hätte.



2015-10-08 Entdeckungstouren

Zwischen den Vorbereitungen auf die anstehende Segelsaison sind wir viel auf der in weiten Teilen nur dünn besiedelten Insel unterwegs. Wir genießen die Abgeschiedenheit schmaler Pfade und einsamer Gipfel im Aktionsradius unserer Wanderschuhe. Wegbeschilderungen gibt es nicht und so folgt Entdeckungstour auf Entdeckungstour. Wo sich das Dickicht lichtet, bieten sich oft atemberaubende Ausblicke auf grüne Berglandschaften und blaues Meer. Außerhalb der kleinen Städte und Villenviertel bestehen die Wohnsiedlungen meist aus winzigen, oft farbenfrohen Holzhäuschen, die wie Ostereier aus der üppig grünen Landschaft herausstechen. Oberhalb einer solchen Siedlung verliert sich der eingeschlagene Pfad im Gestrüpp und wir hangeln uns die letzten dreißig Meter an Zweigen und Luftwurzeln steil hinab zur obersten Hütte. Dort empfängt uns ein kleiner Hund im Zwiespalt von Freude und Revierverhalten. Einen aufrecht begehbaren Weg von hier ins Tal suchen wir vergebens und so klettern wir weiter bis zum etwas unterhalb gelegenen Nachbarhaus. Wieder in der Senkrechten, begrüßt uns der dortige Hausherr mit Handschlag und erklärt freundlich den weiteren Abstieg zur Straße. Über einen sehr steilen und äußerst schmalen Pfad, der sich zwischen zahlreichen Häuschen mit absolut unverbaubarem Blick über das Tal hindurchschlängelt, gelangen wir nach einiger Zeit schließlich zu einem unbefestigten, aber immerhin befahrbaren Weg. Wie mühsam muss es wohl gewesen sein, hier oben zu bauen? Und was machen die Bewohner erst im Alter, wenn sie ihre Grundstücke nicht mehr allein erklimmen können?
Erschöpft sinken wir schließlich auf die grob gezimmerten Holzschemel vor einem winzigen Lebensmittelladen. Einmal pro Woche bietet die Besitzerin eine warme Suppe an. Passt wie bestellt! Wir löffeln unser leckeres Lambie-Water, eine Suppe aus dem Fleisch der Großen Fechterschnecke, Kartoffeln und weiteren Ingredienzien, die wir gar nicht so genau wissen möchten. Auf einer offenen Feuerstelle direkt neben uns köchelt bereits ein weiterer Topf. Es wird heute wohl mit einem größeren Ansturm gerechnet.
Grenada ist schon toll. Schade, dass das Ende unserer Entdeckungsstreifzüge mit dem Auskrantermin in zwei Wochen schon so rasant näher rückt. Den einen oder anderen Hash werden wir vor unserer Abreise selbstverständlich auch noch besuchen. Hier wurden wir bisher immer durch herrliche Landschaften geführt, die wir allein wohl kaum gefunden hätten. Von den so besuchten warmen Schwefelquellen auf einem Trail im Norden der Insel stand nicht einmal etwas in unseren Reiseprospekten.
Ach, wir hätten schon no
ch genügend Ausflugsziele für viele Wochen...


Sundowner in Clarks Court Bay, Grenada


2015-10-25 Schattenseiten

Gerade noch rechtzeitig vor unserem Werfttermin meldet das Internettracking die Ankunft unseres Päckchens mit einigen Ersatzteilen aus der Heimat beim Zollamt von Grenada. Täglich erwarten wir nun die folgerichtige Aufforderung, mit all unseren Papieren zur Abholung zu kommen. Als nach einer Woche noch immer keine offizielle Empfangsnachricht an uns gesendet wurde, begeben wir uns also selbst auf die Suche nach den verschollenen Schätzen und werden statt beim zuständigen Logistiker auf dem Postamt fündig. Statt eines Päckchens erhalten wir eine Menge Formulare, die wir im weiteren Tagesverlauf gemeinsam mit allen Schiffs- und Personaldokumenten zwischen zwei Zollämtern und der Post mehrfach sternförmig hin- und hertragen. Allmählich füllt sich das Papier mit Schrift, Stempeln und sogar einer bunten Wertmarke. Am Abend präsentieren wir hoffnungsfroh unser mächtig angeschwollenes Formularpaket am Postschalter um es gegen das kaum noch größere Päckchen aus Deutschland einzutauschen. Seite für Seite wird argwöhnisch geprüft und schließlich die Rechnung des deutschen Versandhändlers moniert, die zwar mit den internationalen Zollnummern versehen ist, aber nicht in der Landessprache Grenadas vorliegt. Vergeblich präsentieren wir die bereits mit dem Zoll übersetzte Inhaltsliste auf den offiziellen Zollpapieren und bieten an, das Päckchen zu öffnen. Schließlich mailen wir dem Versandhändler wegen einer neuen Rechnung, die wir am folgenden Tag ausgedruckt dem Papierstapel hinzufügen. Mit dankbarem Lächeln empfangen wir nun endlich unsere Lieferung und verlassen zügig den Dunstkreis der Offiziellen.
Die nächsten fünf Tage stehen PAPILLON an Land und wir mit Spachtel, Schleifpapier und Farbeimer unter ihr. Zwischen den Arbeitsgängen für den neuen Antifoulinganstrich werden die kleineren Wartungsarbeiten am Unterwasserschiff erledigt. Die Bekanntschaft mit dem Werftmanager beschert uns einen luftigen Platz an der Wasserfront mit einem hübschen Frühstücksblick über die Bucht. Angetrieben von nächtlichen Moskitoüberfällen arbeiten wir tagsüber im Akkord, um möglichst bald wieder abseits vom Land dem Einflussbereich der Stechmücken zu entkommen. Unsere Abwehrmaßnahmen werden zwar täglich ausgefeilter, sind aber nie zu 100% zuverlässig. Inzwischen schwimmen wir wieder. PAPILLONs leuchtend roter Unterwasseranstrich wird uns sicher noch eine Weile an das reichlich den Moskitos gespendete Blut erinnern und hält hoffentlich sein Bewuchsschutzversprechen. Das "alte" Antifouling aus Europa hatte sich hier im warmen Karibikwasser ja als weitgehend wirkungslos erwiesen und schnell wachsenden Korallenriffen eine Heimat geboten.





Der Atlantik präsentiert sich seit einiger Zeit frei von Wirbelstürmen, die jedoch bis Ende November durchaus noch vorkommen können. Allmählich werden wir uns also nun aus der Deckung bewegen und mit einem ständigen Blick auf die Hurrikanvorhersagen langsam weiterziehen.


2015-10-31 Sicherheitstraining

Der Abschied aus der Clarks Court Bay nach so vielen Wochen fällt uns nicht leicht. Etwas schwermütig betrachten wir das vertraute, üppig grüne Panorama. Viele schöne Erinnerungen melden sich zurück, während wir den Anker aus dem schlammigen Boden herausquälen. Ein letzter Gruß zu den Nachbarn der vergangenen Monate und wir tuckern wenig später durch die enge Riffpassage hinaus ins tiefe Wasser. Das Wetter könnte gerade nicht besser sein. Wir setzen Segel und genießen die Ruhe nach dem Abstellen des Motors. Leise plätschert es unter PAPILLONs Bug, zwei Schildkröten kreuzen unseren Kurs und wir gleiten sanft die 10 NM bis zur Hauptstadt St. Georges. Die kurzen Einkaufswege zur Verproviantierung vor unserer Weiterfahrt zu den eher unterversorgten Grenadins ermutigen uns zu einem Zwischenstopp auf dem mitunter etwas rolligen Ankerplatz mit dem stellenweise schlecht haltenden Grund. Wir kaufen ein, als stünden Feier- und Brückentag vor der Tür. Unser winziges Dinghi transportiert in den folgenden Tagen all die Lasten tapfer zur PAPILLON bis die Speicher gefüllt sind.
Entlang der urigen Westküste segeln wir wieder nordwärts. Die wenige Architektur fügt sich gut in die dichte Vegetation. Kein Haus darf höher sein als eine Palme. So soll eine durchaus begrüßenswerte Bauvorschrift Grenadas lauten. Auf offener See zwischen den Inseln klatscht plötzlich etwas von oben ins Wasser. Der Radarreflektor hat sich aus den Wanten verabschiedet und reitet munter auf den Wellen achteraus. Einen besseren Anlass für ein Sicherheitstraining zu Beginn der Segelsaison konnte uns PAPILLON nicht liefern und so fahren wir ein gekonntes „Radarreflektor-über-Bord-Manöver“. Nach einem sportlichen Segeltag mit einigen Squalls erreichen wir schließlich die Insel Carriacou und lassen den Anker seit Monaten wieder in wirklich glasklares Wasser hinabgleiten.





2015-11-15 Tölpel eben…

Die folgenden Tage in der Tyrrel Bay werden durch recht wechselhaftes Wetter und viele kräftige Squalls dominiert, die mitunter in Sturmstärke durch die Bucht fegen. Eine solche Sturmbö reist uns in der zweiten Nacht eine in Windrichtung geöffnete Luke aus den Scharnieren und gibt mit einem fürchterlichen Knacken den direkten Blick von der Koje auf den Kosmos frei. Nach einem zünftigen Fluch und ersten Sicherungsvorkehrungen machen wir uns am nächsten Morgen an die Reparaturplanung. In der Bucht ist eine schwimmende Werkstatt für Edelstahl- und Aluminiumarbeiten auf einem ausgedienten Trimaran verankert und blinkt als erster Hoffnungsschimmer ins noch verschlafene Auge. Ein Gespräch mit dem Schlosser über seine Materialvorräte und ein Blick auf den quantitativ und qualitativ weniger als dürftigen Maschinenpark lassen schnell alle Illusionen platzen. Auch sonst ist weit und breit kein geeignetes Material zu bekommen und so fällt die Entscheidung zugunsten der Improvisation mit Bordmitteln. Selbst in der Mangelwirtschaft aufgewachsen und mit polytechnischem Unterricht bestens auf deren Herausforderungen vorbereitet, machen wir uns also an die Arbeit und zaubern bis zum Abend mit stromlosem Werkzeug aus einem vorhandenen Reststück einer Aluminiumleiste eine solide Reparaturlösung. Hält, ist dicht, funktioniert!
Während der Sonnenstunden, die sich zögerli
ch über die nächsten Tage verteilen, genießen wir nun die Natur der Insel, wie hier am Paradise Beach.


Leider deckt uns das Wetter auch weiterhin mit kräftigen Squalls ein. Die junge, französische Familie, die sich vor kurzem nur wenige Meter vor unserem Bug niedergelassen hat, kommt mit ihrer schweren Yacht an viel zu kurzer Kette ins driften. Mit Motorkraft den eigenen Anker zu entlasten oder gar „Anker auf“ zu gehen lehnt deren Skipper mit Verweis auf die aktuell schlechte Wettersituation ab. Wir stehen also im strömenden Regen an Bord und schützen PAPILLON so gut es geht mit unseren Fendern. Die andere Yacht touchiert uns einige Male und hinterlässt trotz aller Schutzmaßnahmen kleinere Spuren am Rumpf von PAPILLON. Irgendwann haben sie uns driftend passiert und nach Wetterberuhigung sogar umgeankert. Die folgenden zwei Stunden bis zur Dunkelheit und den gesamten nächsten Morgen warten wir voller Optimismus darauf, dass man sich nach den angerichteten Blessuren erkundigt und für die Unterstützung zur Kollisionsdämpfung bedankt. Danach steigt unser Skipper ins Dinghi um mal „Hallo“ oder besser „Aber Hallo!“ zu sagen. Staunend erfährt er, dass die Familiencrew nicht ausreichend Kette stecken konnte, da der Platz vor unserer Yacht dafür viel zu knapp war. Auch waren sie nach ihrer durchsegelten Nacht auf der Herfahrt von Tobago zu müde um nach schon zwei vorangegangenen, missglückten Ankermanövern nun noch ein viertes zu fahren. Dreistigkeit und echte Dummheit liegen oft so dicht beieinander, dass sie vom Laien nicht zu unterscheiden sind.

Anstatt des ursprünglich erwarteten Hilfeangebots für die etwa zweistündige Reparatur und vielleicht einer Flasche Wein zur Entschädigung der Materialkosten fordert unser Skipper nun verärgert 100,-€ Schadensersatz. Daraufhin erfährt er, welche schmerzhaften Einschnitte das in das Budget des reizenden, kleinen, hellblonden Sohnes der Familie bedeuten würde und wird auf den nächsten Tag vertröstet. Im Schutz der folgenden Nacht verlässt die SOCRATE II klammheimlich die Tyrrel Bay und bestätigt so die bereits aufgestellte Regel zu Dreistigkeit und Dummheit. Es ist schwer, sich auf dem schmalen Inselbogen der kleinen Antillen nicht ständig zu begegnen. Wir nehmen es gelassen, sind wir doch mit Gelcoatarbeiten inzwischen bestens betraut und in der Lage, den Schaden ohne bleibende Spuren selbst zu beheben. Also genießen wir noch etwas die Tyrrel Bay mit den hier ansässigen Pelikanen und Tölpeln und schauen ihnen beim Jagen über den Riffen zu. Die geschickteren Flugkünstler sind zweifellos die Tölpel. Sie gleiten im Tiefflug nur knapp über das Wasser oder stürzen sich spektakulär aus der Höhe senkrecht in die Fluten. Oft tauchen sie mit einem Fisch im Schnabel wieder auf, den sie in den meisten Fällen aber nur kurze Zeit später verlieren. Tölpel eben…
Als nächstes nehmen wir die Schnorchelgründe von St.Vincent  & Grenadins vor den Bug.



Nach den ganzen Formalitäten beim Grenzübertritt liegt PAPILLON nun gut geschützt hinter der kleinen Insel Mayreau und wir stecken die Köpfe zu den Korallen und bunten Fischen unter die Wasseroberfläche. Beim Auftauchen sehen wir die SOCRATE II. Dort werden gerade die Segel eingeholt und das Ankermanöver vorbereitet. Unter Motor nimmt sie nun Kurs auf die Bucht und kommt näher. Beim Absuchen des Ankerfeldes bleiben die Blicke plötzlich an PAPILLON hängen. Es folgt eine rasche Wende zurück in tiefere Gewässer. Die Segel werden wieder aufgezogen und das Weite gesucht. Inzwischen fühlen wir fast schon Mitleid mit der jungen Familie, die die Schönheit der Karibikinseln kaum mehr unbekümmert genießen können wird. Vor unserem geistigen Auge sehen wir den niedlichen, blonden Jungen mit seinem Sparschwein in den verkrampften Händchen, ängstlich den Horizont nach unserer gefürchteten Silhouette absuchen. Bis demnächst…


2015
-12-04 Da sind wir wieder

Etwa eine Segelstunde von Mayreau entfernt liegen die Tobago Cays. Dort ist man lediglich durch ein Korallenriff vor dem offenen Atlantik geschützt. Wir mögen kein Rodeo am Ankerplatz und unternehmen unseren Ausflug erst, als sich die Atlantikdünung für einige Stunden etwas glättet. Beim Schnorcheln am Außenriff waren wir da im Frühjahr neben Schwärmen knallbunter Fische auch einem Ammenhai begegnet. Kaum haben wir PAPILLONS Anker in den weißen Sand gerammt, umschwirren uns bereits die ersten farbenfrohen Boatboys mit ihren Strandbarbecue-Angeboten. Wir spüren die Besonderheit des traumhaft schönen Ortes: seine hohe touristische Bedeutung für die Region. Mit dem Dinghi tuckern wir zu einer kleinen Boje am Außenriff und starten von dort unseren Tauchgang in die submarine Traumwelt. Gerade noch fasziniert von dem bunten Treiben im seichten Gewässer erstarren plötzlich unsere weit aufgerissenen Augen. Eine kräftige Strömung zwischen den Korallenstöcken hat uns erfasst und lässt uns mit dem Plankton fühlen. Wir können uns schwimmend nur mit Mühe auf der Stelle halten. Der direkte Rückweg ist abgeschnitten und wir benötigen einen alternativen Ausweg aus dem Korallenlabyrinth. Schnell verlieren wir den Blick für das Schöne. Die Freude am Leben dominiert. Mit einigen kleinen Schnittverletzungen durch die scharfkantigen Korallen gelingt es uns schließlich, das Riff an anderer Stelle zu verlassen. Von hier aus gestaltet sich jedoch auch der Rückweg zum Dinghi noch als weiterer Kraftakt.
Einige Tage verbringen wir noch auf Mayreau, wandern über die Insel, unterhalten uns mit einigen Locals, gehen schwimmen, angeln unser Abendessen und beobachten den inszenierten Aufwand für das einmal wöchentlich zum Strandgang anlandende Kreuzfahrtschiff. Die Bewohner Mayreaus profitieren selbst kaum von dem Spektakel. Lediglich einige T-Shirt-Verkäuferinnen generieren etwas Umsatz. Eine Steelband zur musikalischen Untermalung wird von der Nachbarinsel eingeschifft. Alles Weitere kommt direkt vom Kreuzfahrtschiff. In der Morgendämmerung wird mit deren Getränken die Strandbar gefüllt. Es werden Surfbretter, Kanus und weiteres Strandspielzeug angelandet. Nach dem Frühstück beginnt der Shuttletransport für die Passagiere. Mittags gibt es dann ein Strandbarbecue von der Bordküche und das Abendessen findet schließlich wieder auf dem Schiff statt. Die vielen Bars im Ort gehen weitestgehend leer aus.



Als sich die Elemente zu idealen Segelbedingungen zusammenfinden nehmen wir Kurs auf Bequia. So entspannt waren wir schon lange nicht mehr so schnell gereist. Mit zufriedenen Gesichtern ankern wir in der Admiralty Bay. Hier gibt es jetzt in der Hauptsaison auch reichlich Kreuzfahrttourismus. Fast täglich ankern mehrere dieser schwimmenden Hotels vor der Küste. Irritiert hat uns ein lokales Segelschiff, das mit immer denselben betagten Gästen mehrmals täglich zwischen Strand und Küstengewässern hin und her pendelt. Könnte das eventuell so ein Sonderangebot „Karibikrundreise für Menschen mit Gedächtnisstörung“ sein? „Sieh mal! Hier ist’s auch schön…“



Pünktlich zum offiziellen Ende der Hurrikansaison am 30.November drängt sich uns ein unwiderstehliches Wetterfensterchen auf. Also ziehen wir bei Mondaufgang in Bequia den Anker und nehmen die 90 Seemeilen bis Martinique ins Visier. Nach 20 Stunden angenehmem Segelvergnügen erreichen wir St. Anne/ Martinique beinahe noch vor Einbruch der Dunkelheit. Hier werden wir nun eine Weile bleiben. Die geschützte Bucht, guter Ankergrund, günstiger Wein, exzellente Versorgungsmöglichkeiten, herrliche Strände im Aktionsradius und sauberes Planschwasser komponieren sich zu höchstem Existenzgenuss.
Getrübt wird das Ganze lediglich durch die Umrisse der SOKRATE II, die sich am entfernten Rand der etwa 80 Yachten beheimatenden Ankerbucht abzeichnet und zur baldigen Entscheidung „Inkasso oder Ignorieren“ herausfordert.



2015-12-21 Advent

In gewohnter Verlässlichkeit räumt die säumige SOKRATE II schon bald das Ankerfeld und sucht eilig das Weite. Wir gönnen der Familie einige Tage Vorsprung und richten uns über den Jahreswechsel hier in ihrer französischen Heimat ein.

Adventstimmung vermag sich bei den hochsommerlichen Tag- und Nachttemperaturen nur schwer zu verbreiten. Wir arbeiten trotzdem aktiv daran, stellen in der Bordküche ein „Stollenähnliches Weihnachtsgebäck“ her und panschen lecker Glühwein, der dank des Klimas nicht so schnell abkühlt wie der auf heimischen Weihnachtsmärkten.

Nach fast einem Jahr reaktivieren wir nun unsere Bordfahrräder, entrosten, fetten, radeln durch die Landschaft Martiniques und haben auf umherliegenden Dornenzweigen auch schon bald einen Reifen plattgefahren. Also montieren wir im Schatten der Palmen, finden das Loch im Schlauch und starren schließlich entsetzt auf die in monatelanger Hitze eingetrockneten Reste des mitgeführten Flickzeugs. Weniger euphorisch bauen wir also alles wieder zusammen und schlurfen schiebend in Richtung der nächsten befestigten Straße als uns ein weißer Mietwagen vorsichtig entgegenrumpelt. Die junge Fahrerin steigt aus und erkundigt sich bei uns nach dem Weg und der Entfernung zur Küste, wo die drei Insassen des PKW ihren ersten Urlaubstag beim Riffschnorcheln zu verbringen gedenken. Mit etwas Überzeugungskraft wird bald klar, dass die besseren Schnorchelgründe in der Nähe unseres Ankerplatzes in entgegengesetzter Richtung und eine Win-Win-Situation quasi auf der Hand liegen. Mit Katja auf der Rücksitzbank und dem plattgefahrenen Mountainbike im weit geöffneten Kofferraum entfernt sich schon bald das gewendete Fahrzeug zu seinem neuen Bestimmungsort.

Gleich am nächsten Tag unternehmen wir selbst einen Tauchgang am empfohlenen Riff und evaluieren unsere abgegebenen Versprechungen. Die Unterwasserkorallengärten mit den kunterbunten Bewohnern sind immer wieder faszinierend.






Als das Wetter besonders ruhig zu bleiben verspricht, ziehen wir uns zu Wartungs- und Kontrollarbeiten abwechselnd mit dem Bootsmannstuhl in den Mast hinauf. Die routinemäßige Riggkontrolle bringt einen unerwarteten Befund und so steht der Austausch eines nur zweieinhalb Jahre alten Oberwants (Abspannseil am Mast) an. Ein einschlägiger Fachbetrieb befindet sich im nahen Le Marin, hat aber so kurz nach Eintreffen der Transatlantikregatten reichlich zu tun und eine lange Terminliste. Mit ein paar handgekritzelten Montageinstruktionen in der Tasche begeben wir uns also zurück zur PAPILLON und gehen am folgenden Tag selbst ans Werk. Bis zum Abend ist das alte Want demontiert, ein kleines Verbindungsteil über Bord gegangen, in 5m Tiefe im Bodenbewuchs geortet und wieder geborgen, das neue Want per Fahrrad aus Le Marin geholt, alles wieder montiert und sauber ausgerichtet. Nicht ohne Stolz peilen wir nun in der Abenddämmerung den wieder schnurgeraden Mast über dessen Nut.

Über einige Sprach- und Versorgungshürden hinweg gelingt uns auch bald der Erwerb eines frischen Fahrradschlauchreparatursets und wir genießen wieder einen velomobil erweiterten Aktionsradius auf dieser wunderschönen Insel.




2016-01-04 "Weiße Weihnacht"

Beinahe unbemerkt schleichen sich die Weihnachtsfeiertage heran und auch vorbei. Seit wir unterwegs sind, laufen nun schon die zweiten Jahresendfeierlichkeiten ohne traditionsgeladene Rituale und aufwändige Speisungen ausgesprochen entspannt ab. Vom einstigen Drang nach kulinarischer und programmatischer Einzigartigkeit der Feiertage ist vor dem Hintergrund des abwechslungsreichen Alltags Reisender kaum noch etwas zu spüren. Fehlender Konsumstress und hochsommerliches Wetter lassen vom als ursprünglich empfundenen Weihnachtsgefühl früherer Tage nicht viel übrig. Statt durch verschneiten Winterwald wandern wir zu den verlassenen Stränden am Südzipfel der Insel und erleben im hellen Sand auch fast so etwas wie eine „Weiße Weihnacht“.



Eine kleine Französin baut einen winzigen schneemannähnlichen Sandmann am Ufer. In der, und um die kleine Kirche von St. Anne verstreuen sich Krippendarstellungen in allen Hautfarbenkombinationen Marias und Jesus', die die Mendelschen Gesetze so kennen.



Daneben präsentieren die kleinen Geschäfte ihre Bademoden auf den Gehsteigen. Es riecht nach Strand und Sonnencreme. Das Wetter hat auf Winterpassat umgestellt und deckt uns mit reichlich Wind ein. Temperaturverweichlicht beginnen wir, uns abends etwas überzuziehen, damit bei 26 Grad die Zähne nicht so klappern.
Ähnlich beschaulich verläuft Silvester. Abgesehen von einigen Tagen zu früh einsetzender Knallerei der Dorfjugend rund um die Bushaltestellen ist von privatem Feuerwerk nichts zu bemerken. Pünktlich zum Jahreswechsel starten zwei Hotels in Sichtweite ein kleines, eher leises aber buntes Batteriefeuerwerk und untermalen unseren Sektkonsum auf dem Vorschiff der PAPILLON. Fünf Stunden vorher hatten wir gleichzeitig mit den Lieben zuhause bereits auf das Neue Jahr angestoßen. Nun hat uns der Jahreswechsel auf seinem Weg zur Datumsgrenze auch in der Karibik erreicht. Prosit Neujahr!


2016-02-06 Gründe zum Bleiben

Die eigentlich für Mitte Januar geplante Weiterreise erfährt durch einen erweiterten Dentalschaden, diesmal bei Katja, eine unerwartete Verzögerung. Ihr Lieblingsmahlzahn bedarf einer metallischen Schutzhülle, deren Herstellung erwartungsgemäß karibisch viel Zeit verschlingen soll. Wir sind wieder einmal ortsgebunden, was vagen Reiseträumen unserer Mütter und Schwiegermütter sehr in die Hände spielt. Wenig später machen sie sich gemeinsam auf, ihre Jüngsten in Übersee zu besuchen. Inzwischen ausreichend ortskundig, erarbeiten wir ein lohnendes Besichtigungsprogramm für Martinique und präsentieren weiße Strände, blaues Meer, baumhohe Kakteen, üppig dichten Regenwald, Mangrovensümpfe und bunte Korallenriffe.

 






Mit jedem Tag, den wir diesen aromatischen zweiten Aufguss unserer Martinique-Erlebnisse genießen, verlängern sich auch unsere Wartungs-, Reparatur- und Materialliste. Die Versorgungssituation mit europäisch genormten Ersatzteilen wird wohl für lange Zeit auf unserer geplanten Route nicht wieder so gut sein. Also decken wir uns ein und reparieren auch noch einige Tage nach der matriarchalischen Ära. Auf diese Weise kommen wir schließlich sogar noch in den Genuss eines weiteren Spektakels und erleben den Karneval auf Martinique.







2016-02-25 Jamaika angesteuert

Schließlich reißen wir uns doch von dieser herrlichen Insel los, verabschieden uns von lieb gewonnenen Freunden in St. Anne und ziehen wehmütig den Anker aus dem Sand. Zunächst wollen wir schon etwas guten Willen zur Weiterreise erkennen lassen und verlegen uns in die 5 Segelstunden entfernte Hauptstadt Fort de France. Auf der Suche nach den schönsten Plätzen Martiniques waren wir bisher niemals hier durch gekommen und wie der erste Eindruck vermittelt, wohl auch völlig zu Recht. Es ist Sonntag und in den ansonsten bunten Einkaufsmeilen reihen sich unansehnliche Jalousien der geschlossenen Geschäfte aneinander. Grau verhangener Himmel mit gelegentlichen Regenschauern unterstreicht das Gefühl, am falschen Platz zu sein. Dennoch treffen wir sporadisch auf ansprechende Architektur und viele US-amerikanische Kreuzfahrttouristen, die in den verwaisten Straßen nach offenen Restaurants und lohnenden Fotomotiven Ausschau halten. Neben dem Ankerfeld thront ein historisches Fort. Wie wir am Eingang erfahren, beherbergt es Militär und ist derzeit für Besucher nicht zugänglich. Vor einem Regenschauer unter einen Torbogen geflüchtet, treffen wir auf zwei sichtlich adipöse Passagiere des heute hier weilenden Kreuzfahrtschiffes. Sie waren gestern noch in Barbados und werden morgen St. Kitts besuchen. Martinique finden sie nicht so schön, erfahren wir. Kaum hört der Regen auf, sind sie auch schon enteilt. Ihre ungestellte Frage nach dem Land hinter dem Horizont von Fort de France verhallt unbeantwortet. Am zweiten Tag erscheint uns die Inselhaupstadt schon deutlich attraktiver. Buntes Treiben in den Einkaufsgassen, Sonnenschein und erste Gewöhnungseffekte tragen ihren Teil dazu bei.



Von hier aus legen wir nun direkten Kurs auf Jamaika. Während die Insel Martinique achteraus immer kleiner wird und allmählich im Dunst der feuchten Luft verblasst, nutzen wir ein letztes Mal fleißig die Daten- und Telefonnetze, bevor wir dann auf hoher See für längere Zeit von ihnen abgeschnitten sein werden. Dort, wo das Meer ringsum bis zum Horizont reicht, verbleibt uns später nur die deutlich teurere Satellitenkommunikation für den allernötigsten Informationsaustausch mit der übrigen Welt. Bei Nahrungsentzug arrangieren sich unsere Körper allmählich wieder mit den inzwischen ungewohnten Schiffsbewegungen. Das Wachsystem auf See ändert den Schlafrhythmus. Nach zwei bis drei Tagen wird sich aber alles eingespielt haben.
…Wenn nichts dazwischenkommt, wie eigentlich immer. Diesmal ist es der plötzliche Ausfall der Selbststeueranlage, der am zweiten Segeltag wesentliche Änderungen in der Bordroutine auf den Plan ruft. Von nun an sitzt immer einer hinter dem Steuerrad. Arbeiten, die wir normalerweise zu zweit erledigen, müssen irgendwie auch allein funktionieren. Es gibt keinen Toilettengang ohne die Freiwache zur kurzfristigen Ablösung zu wecken, und und und.
Nach langen zwei Tagen und noch längeren zwei Nächten, die wir abwechselnd ununterbrochen am Ruder verbracht hatten, sind die Wetterbedingungen gut und der Leidensdruck groß genug, einen Reparaturversuch auf hoher See zu starten. Das gestaltet sich nicht ganz einfach, denn die Schiffsbewegungen simulieren eine beachtliche Koordinationsstörung und ermöglichen abgelegtem Werkzeug eigenwillige Fortbewegung. Trotz aller Handicaps gelingt es schließlich, den kaum zugänglichen Antrieb des Autopiloten durch eine teilweise zurückgebaute Steuersäule und einen speziell für fortgeschrittene Schlangenmenschen konzipierten Zugang über die Achterkajüte zu demontieren. Wie sich dem prüfenden Blick unseres Bordtechnikers offenbart, haben sich Motor und Getriebe komplett voneinander getrennt. Segelfreunde erzählten uns vor einiger Zeit, wie ihr LEWMAR-Autopilotantrieb bei gleichem Befund durch die nun lose im Plastikgetriebe umherspringenden Schrauben den plötzlichen Tod im Pazifik gefunden hatte. Wir setzen auf etwas mehr Glück und gehen an die Demontage. Zwei Staukisten dienen als Werkbank für den zerlegten Antrieb. Ihr etwas erhöhter Deckelrand ermöglichen den ausgebauten Getriebeteilen zwar ein chaotisches Bandenspiel, jedoch kein freies Bewegungsprofil durch den gesamten Salon. Die ölverschmierten Gesichtszüge erhellen sich. Trotz kleinerer Beschädigungen sind alle Bauteile noch soweit intakt, dass sie ihren Dienst wieder aufnehmen können. Während des Zusammenbaus entsteht im Kopf bereits der Entwurf des Reklamationsschreibens an LEWMAR. Die Garantiezeit ist noch nicht abgelaufen. Bis zum Nachmittag ist mit viel Geduld und voller Vorfreude auf die baldige Wiedereingliederung unseres automatischen Steuermannes in die Bordroutine alles wieder montiert. Der Autopilot funktioniert und der Bordtechniker erlangt in Anbetracht der nun erwarteten, erheblichen Erleichterungen auf der vor uns liegenden Seestrecke Heldenstatus.




Danach steht entspanntes Segeln vor dem Wind auf dem Plan. Es bleibt viel Zeit, den fliegenden Fischen zuzusehen. Ab und zu erhalten wir Begleitung von Delfinen, die uns mit ihrer ausgefallenen Akrobatik unterhalten. Begeistert sitzt Katja im Cockpit und vergibt klatschend Haltungsnoten für die besten Sprünge aus den nachlaufenden Wellen. Die kurze Schulsportepisode im Lebenslauf präsentiert ihre längst verwaschenen Spuren.
Nach achteinhalb Tagen „Erholung auf See“ erreichen wir Port Antonio auf Jamaika. Dort werden wir sehr freundlich und hilfsbereit vom Marinapersonal empfangen und mit einem gehörigen Packen an Einklarierungsformularen ausgestattet. Danach reihen sich die Besuche der „Offiziellen“ an Bord aneinander. Eine nette Beamtin des Gesundheitsamtes sucht sich einige der inzwischen ausgefüllten Formulare aus unserem Papierstapel, füllt ein weiteres aus, bittet uns freundlich, in Jamaikas Hoheitsgewässern auch wirklich keine Abfälle über Bord zu werfen und verlässt uns wieder. Auch Zoll und Immigration versorgen sich mit sehr viel beschriebenem Papier über uns und PAPILLON und stellen alle auf unserer bisherigen Reise erlebten Beamten an Freundlichkeit weit in den Schatten. Darüber hinaus ist die Ein- und Ausklarierung auf Jamaika während der regulären Arbeitszeiten sogar kostenlos. Wir decken uns im Ort mir reichlich frischem Obst ein und genießen unseren ruhigen Liegeplatz an der Muringtonne und den schönen Blick auf das üppig bewachsene Ufer.







2016-03-03 Bob Marley Land

Kaum haben wir an unserer Boje festgemacht, ist die erste Woche mit Erkundungen im Nahbereich und einigen Einkäufen an den offenen Marktständen auch bereits verflogen. Am Ufer machen wir einen Eisstand mit verführerischem Angebot zu stolzen Preisen aus, der uns auf Dauer in den finanziellen Ruin zu stürzen droht. Die Ruhe am idyllischen Ankerplatz weicht am Wochenende lauter Musikbeschallung vom Ufer. Mit der Titelauswahl finden wir unseren Musikgeschmack jedoch ausreichend gut getroffen und so sitzen wir nach Einbruch der Dunkelheit mit Rumpunsch und wippenden Köpfen im Cockpit.
Um etwas mehr von der Landschaft Jamaikas zu sehen, nehmen wir den „Stopfbus“ nach Kingston.



Diese typisch karibischen Transportmittel erscheinen von außen eher klein, können aber ähnlich einer Leggins mit genügend Druck unglaubliche Massen aufnehmen. Die Route zur Inselhauptstadt führt in 2,5 Stunden recht malerisch und kurvenreich durch den Blue Mountains National Park. Leider viel zu kurz für den Auslöser unseres Fotoapparates  öffnen sich immer wieder sehr schöne Panoramen. Etwas unterhalb der Straße schlängelt sich ein Gebirgsfluss durch das enge Tal, der mit zwei filmreifen Seilbrücken für den risikofreudigen Passanten überspannt wurde. Bunt gekleidete Frauen waschen ihre Wäsche, Männer fischen. Nach diesem Naturgenuss wirkt Kingston dann sehr ernüchternd und legt die baldige Rückfahrt nahe. Die urbanisierte Armut mit viel Wellblech und NATO-Draht etwas abseits der farbenfrohen Einkaufsparks wirken auf uns sehr bedrückend und so suchen wir rasch die wärmende Nähe der Einheimischen im „Stopfbus“ zurück nach Port Antonio. Eng an die Scheibe gedrückt, genießen wir die vorbeiziehende Natur noch einmal aus entgegengesetzter Blickrichtung und erreichen schließlich völlig geplättet unseren herrlichen Liegeplatz am frühen Abend.



Allmählich drängt die Zeit, Kurs auf Kuba zu nehmen. Unsere Tochter hat sich dort zum Besuch angemeldet und uns somit einen fixen Termin gesetzt. Internetzugang wird für uns in Kuba in den kommenden Wochen zur Ausnahme. Der nächste Blogeintrag kann also durchaus etwas länger dauern.

2016-03-13 Zeitreise

Für den ersten Tag auf See von Jamaika nach Kuba ist sehr ruhiges Wetter angesagt und so lassen wir Port Antonio tuckernd im Kielwasser zurück. Etwas abseits der Insel weht eine leichte Brise über das spiegelglatte Meer und bläht unsere Segel vorsichtig auf. Leise ziehen wir dahin und erleben ein Schwachwindsegelvergnügen wie zuletzt vor vielen Jahren auf dem Wörthersee. Irgendwann schläft der Wind komplett ein und wir steigen notgedrungen auf fossile Antriebsenergie um. Unsere Edelstahlbecher tauschen wir dennoch nicht gegen die Porzellantassen. Für die folgenden Tage ist bei kräftigen Seitenwinden ein unruhiges Leben im geneigten Raum zu erwarten. Im „Windschatten“ Kubas bläst es dann in angekündigter Stärke. Nachts frischt der Wind, unterstützt durch die ablandigen Konvektionswinde, noch weiter auf und sorgt im flachen Wasser für kurze, steile Wellen, die manchmal unangenehm gegen den Rumpf der PAPILLON klatschen. Kurz vor der Einfahrt in den Kanal von Cienfuegos legt sich der Wind und die weißen Schaumkronen auf den Wellenkämmen verschwinden. Lokale Fischer schaukeln in ihren Ruderbooten durch die 2m hohe Dünung. Auf einer Betonwand prangt ein „Sozialistisches Willkommen“. Die Einklarierung später in der Marina erfolgt entgegen aller Ankündigungen „erfahrener Segler“ sehr freundlich. Zuerst kommt der Arzt an Bord und zieht zu unserem Erstaunen seine Schuhe aus, bevor er PAPILLON betritt. Wir erinnern uns nicht, wann ein „Offizieller“ zum letzten Mal solch ein rücksichtsvolles Verhalten zeigte. So wollten wir ihm seine abschließende Bitte um eine Dose Corned Beef dann auch nicht verwehren.






An Land erwartet uns reichlich interessante Architektur in unpoliertem Zustand, Pferdegespann- und Fahrradtaxis neben restaurierten Oldtimern amerikanischer und russischer Produktion. Unsere Gedanken gehen auf eine Zeitreise in eine längst versunkene Welt, in der wir einst unsere Jugend verbrachten. Der leise pfeifende Unterton im Motorgeräusch der vorbeifahrenden MZ-Motorräder ist uns sehr vertraut. Vor dem Eiscafé sammelt sich eine Menschentraube und wartet darauf, endlich platziert zu werden. Man serviert uns große Portionen zu winzigen Preisen in angeschlagenem Geschirr und mit verbogenen Aluminiumlöffeln. Die Schüler*innen tragen blaue
und rote Halstücher. Auf großen Tafeln stehen einfarbig gedruckte Losungen anstatt bunter Werbebotschaften…


2016-03-29 Familiennachzug

Kurze Zeit später trifft unsere Tochter aus Deutschland ein, um die nächsten drei Wochen mit uns zu verbringen. Für uns völlig ungewohnt, pfeifen und schmatzen von nun an ständig junge Männer auf der Straße hinter uns her und bekunden mitunter verbal auch etwas derber ihre Zuneigung.

Problematischer als auf unserer bisherigen Reise gestaltet sich die Selbstversorgung auf Kuba. Grundnahrungsmittel sind hier subventioniert und damit meistens auch rationiert. Für die eigene Bevölkerung gibt es spezielle Lebensmittelkontore, in denen die Mehl-, Zucker-, Eier-, Fleisch- und Brotrationen zu Minipreisen, die in Eurocent kaum mehr auszudrücken sind, abgegeben werden. Darüber hinaus gibt es je nach Angebotslage einen freien Verkauf, in dem sporadisch Fleisch und Eier um ein Vielfaches teurer, aber immer noch deutlich günstiger als auf den Nachbarinseln zu haben sind. Saisonales Obst und Gemüse wird glücklicherweise ausschließlich frei verkauft. Um uns jedoch nicht täglich mühsam unsere Lebensmittel über die Stadt verteilt zusammensuchen zu müssen, greifen wir hier verstärkt die gastronomischen Angebote auf und kommen dennoch recht günstig über die Runden.

Eineinhalb Autostunden von Cienfuegos entfernt liegt das UNESCO-Weltkulturerbe-Örtchen Trinidad. Gemeinsam mit einer anderen Seglercrew mieten wir uns ein Taxi und fahren im historischen Ami-Schlitten. Äußerlich ähnelt das etwas lieblos restaurierte Gefährt dem Fluchtfahrzeug der Olsenbande. Die Motorgeräusche könnten ebenso von einer landwirtschaftlichen Zugmaschine stammen. An der Instrumententafel funktioniert schon lange nichts mehr. Die durchgesessenen Sitze reichen die Straßenschäden unverfälscht an die Lendenwirbelsäule weiter. Reisen mit Style ist eben nicht unbedingt bequem, aber cool. Trinidad gefällt nicht nur uns. Viele Touristenbusse frequentieren den ansonsten beschaulichen Ort und verführen die Einwohner zum Verkauf von bunten Souvenirs in damit komplett zugestellten Gässchen.




Leider bietet sich die komplett geschlossene Bucht von Cienfuegos nicht wirklich zum Baden an. Das Wasser ist trübe, riecht zeitweise nach Abwässern und hält den Anker verdächtig gut im Grund. Wir suchen nach Alternativen für unseren strandhungrigen Besuch aus dem deutschen Winter und entscheiden uns nach einigen Abwägungen dann doch für einen mehrtägigen Segeltörn zur Sandinsel Cayo Largo. Nach zwanzig Segelstunden bis zu dieser abgelegenen Inselkette werden wir nun mit feinstem Korallensand und glasklarem Wasser in allen Blautönen verwöhnt. Seesterne und gewaltige Fechterschnecken leben im seichten Wasser bis an die Ufergrenzen. Die Kitschkulisse erreicht ihre Perfektion, als dann auch noch Delfine am Rand der Sandbank entlangziehen und erscheint uns schließlich doch etwas übertrieben.







2016-04-05 Havannareise nach Jerusalem

Nach zwei Tagen im Inselparadies drängen Wetterprognosen und Abflugtermin des Bordgastes zum Aufbruch. Wir wollen uns noch gemeinsam Havanna ansehen und setzen die Segel für den Rückweg nach Cienfuegos. Diesmal planen wir, die flachen Gewässer auf unserer Route noch großräumiger zu umschiffen. Hier gibt es rege Fischerei und wir hatten uns auf dem Hinweg nachts in einem nur knapp unter der Wasseroberfläche ausgelegten Netz verfangen.

Wie vereinbart steht unser Taxi für die 3 Autostunden von Cienfuegos nach Havanna pünktlich vor der Marina. Der gebuchte neue Peugeot ähnelt zum Verwechseln einem VW Passat aus den frühen 80-ern. Etwas verblüfft schaue ich über den Rand meiner Sonnenbrille, die meine Augen eigentlich vor den grellen Reflexionen des neuen Lackes schützen sollte. Die Türschlösser sind wesentlicher Bedienungsmöglichkeiten beraubt. Bei 306212 steht der Kilometerzähler seit unbekannter Zeit und rührt sich nicht. Mangels Klimaanlage bleiben die Fenster geöffnet. Dafür sind im Gegensatz zu den Bussen auf Grenada hier alle Radmuttern vorhanden und wir besteigen das Taxi mit einem Gefühl relativer Sicherheit.

Auf der sechsspurigen Autobahn nach Havanna ist kaum Verkehr. Wie auch auf deutschen Autobahnen ist die äußerste linke Spur die am meisten befahrene. Ganz rechts sieht man dann und wann einmal ein Pferdegespann oder auch ein Fahrrad in Gegenrichtung. Ein Fahrspurwechsel erfolgt selten verkehrsbedingt. Meist wird Schlaglöchern ausgewichen. Irgendwann meldet sich die erste volle Blase und unser Taxifahrer steuert quer über alle Fahrbahnen der Gegenrichtung einen kleinen Rasthof auf der anderen Seite an. Der zerfahrene Mittelstreifen an beiden Raststellenzufahrten zeigt, dass diese Manöver durchaus üblich sind.

 

Sicher und entspannt erreichen wir schließlich Havanna und kämpfen uns durch die vollen Gassen der Altstadt zu unserer reservierten Unterkunft vor. Wegen des Gratiskonzerts der Rolling Stones im Stadion der Hauptstadt sind Übernachtungsplätze kaum mehr zu finden. Wir werden nicht durchgehend das gleiche Zimmer bewohnen können. Das sei aber alles kein Problem, erfahren wir mit freundlichem Lächeln von unserer Vermieterin auf dem Weg zu unserer ersten Schlafstätte. Ihr Lächeln ist weg und das Problem da, als ihr Jonglieren mit Betten und Gästen am folgenden Tag dann doch nicht aufgeht und wir bei der „Reise nach Jerusalem“ am ungünstigsten platziert sind. So stehen wir wenig später mit unserem Gepäck auf der Straße und beginnen uns zu einem freien Bett durchzufragen. Schnell nimmt sich eine freundliche Anwohnerin unserer an, klingelt an Türen, telefoniert und spricht mit Passanten. Alles ist ausgebucht und so deutet sie von Zeit zu Zeit lächelnd auf die Gosse. Später sitzen wir in einer ebenfalls ausgebuchten, sehr noblen Pension auf noblem Gestühl und warten hoffnungsfroh auf ein positives Signal der Verwalterin, die ihr Telefonverzeichnis für uns abtelefoniert. Schließlich findet sie ein einziges, freies Bett in der Nähe. Dorthin vermittelt sie den einzelnen Herrn, dem sie bereits seit einigen Tagen aus den gleichen Gründen ihr eigenes Doppelzimmer im Haus vermietet hatte und bringt uns in ihrem Zimmer unter. Selbst bewohnt sie weiterhin die Abstellkammer hinter der Bar. Dankbar und erfreut über die glückliche Fügung widmen wir uns nun wieder den genüsslichen Seiten Havannas und ziehen durch die belebten Straßen.






Einige Straßenzüge sind sehr schön saniert. Dort spielt sich das touristische Leben ab. Die Restaurants und immer gleichen Souvenirläden preisen ihr vergleichsweise teures Gut in konvertiblen Pesos aus. Musikbands spielen hinter Klingelbeuteln ihr oft äußerst schmales Repertoire, das bei einer gut gekleideten Gruppe älterer Herren am Plaza de Armas über „Guantanamera“ nicht hinausgeht. Einige ältere Frauen mit Körben voller künstlicher Blumen und einer kalten Havannazigarre im Mundwinkel stehen hier als Fotoobjekt zur Verfügung und bedienen das Klischee Kubas.




In direkter Nachbarschaft liegen die unsanierten Gassen mit bröckelnden Fassaden. Hier zahlt man meist in nationalen Pesos und bekommt einen frischgepressten Obstsaft für umgerechnet  0,08 EUR direkt aus dem als Kiosk dekorierten Küchenfenster gereicht. Etwas genervt sind wir von den oft sehr aufdringlichen Taxifahrern, die uns ständig wegbringen wollen, egal wo wir uns gerade befinden. Am Abend schlendern wir den Malecón entlang und genießen den Sonnenuntergang am Meer. Später gibt es noch etwas Rum zur Livemusik in einem der Restaurants mit Seeblick.




2016-04-17 Ahoi Amigos

Wir sitzen an unserem schattigen Lieblingsort im Parque José Martí in Cienfuegos. Der  von bunten Fassaden im Kolonialstil eingefasste Platz wirkt seit unserer Rückkehr aus dem quirligen Havanna deutlich ruhiger und beschaulicher als zuvor.



Uns gegenüber schläft ein Mann tief über seine Gitarre gebeugt, die ihm immer wieder aus den Händen zu fallen droht. Ansonsten sitzen auf den Stühlen und Bänken vorwiegend Menschen mit tief geneigten Köpfen und wischen Smartphones oder Tablets. Die Blasshäutigen mit Kameras vor den Bäuchen blättern auch in Reiseführern und halten gelegentlich Ausschau nach klimatisierten Bussen, die sie schnell von hier wegbringen. Unter einem großen Strohhut versteckt, nähert sich ein älterer Herr, der mit Besen und Schaufel gemächlich die Wege von Laub und Zivilisationsmüll säubert. Dem Rhythmus dieses entspannten Nachmittags angepasst, verdauen wir mit abgesenktem Puls die wieder viel zu üppigen Eisportionen, denen wir auf dem Weg von der Marina hierher nicht wiederstehen konnten. Morgen wollen wir nach Cayo Largo aufbrechen. Bald sind die 60 Tage unserer Touristenvisa abgelaufen und wir planen den Rest der Zeit an Tauchriffen und Sandstränden im Inselparadies südlich der kubanischen Hauptinsel zu verbringen. Gut ins Straßenbild integriert, kennt und grüßt man uns hier inzwischen. Wie an allen Orten, die wir für längere Zeit besucht haben, liegt etwas Wehmut im Abschied. Inzwischen hat der Herr gegenüber sein Nachmittagsschläfchen beendet, rappelt sich aus seiner gedrungenen Haltung empor, schaut in die Runde, nimmt einen kräftigen Schluck einer verdächtig bräunlichen Flüssigkeit aus einer offensichtlich nicht konformen Wasserflasche, schaut erneut in die Runde und beginnt nach einer knappen Ansprache seinen künstlerischen Vortrag. Nach jedem Lied wartet er lauernd den Applaus seiner Zuhörer ab und kündigt thematisch das nächste an. Kubanische Volksmusik, Lieder über Che Guevara, die Revolution und die Ökonomie reihen sich aneinander. Die Kubaner in der Runde klatschen den Takt zu den karibischen Rhythmen. Touristen beteiligen sich zaghaft. Der ältere Herr mit dem großen Strohhut schwingt die Hüften bei seiner Kehrarbeit. Wir genießen den Augenblick und möchten jetzt eigentlich nirgendwo anders sein.
Trotzdem setzen wir am folgenden Tag Segel und nehmen Cayo Largo vor den Bug. Die Wetterbedingungen sind gut und die Überfahrt sehr entspannt. Im Dunkel der mondlosen zweiten Nachthälfte präsentiert sich ein grandioser Sternenhimmel und das Leuchtplankton glitzert um Papillon. Wir gleiten bei schwachem Wind leise durch die Dunkelheit und haben während unserer abwechselnden Wachen reichlich Zeit, das Lichterspiel ausgiebig zu bestaunen. Gegen Morgen legen Wind und Seegang zu. Die Schiffsbewegungen werden ruppiger und steigern die Vorfreude auf das Ankommen am geschützten Ankerplatz.
Cayo Largo wird rein touristisch genutzt. Die Insel ist sehr spärlich mit All-Inclusive-Hotels und einigen Unterkünften für die Beschäftigten bebaut. Einwohner gibt es in diesem Karibikparadies leider keine und damit auch keinen Handel mit frischen Lebensmitteln. Wenn unsere in Cienfuegos angelegten Vorräte an Tomaten, Paprika und Ananas erst aufgebraucht sein werden, wird für uns das kleine Restaurant an der Marina wohl als letzte Futteroase enorm an Bedeutung gewinnen und dessen knappe Speisekarte immer gefälliger erscheinen. Wir genießen die saubere Luft und das klare Meerwasser, schnorcheln die Unterwasserwelt ab und laufen barfuß den schier endlosen weißen Sandstrand entlang.






2016-04-25 Naturgenuss

Der Ankerplatz von Cayo Largo liegt weit abseits jeder Behausung mitten in der Natur. Mit einem nur schwach motorisierten Dinghi wie dem unseren ist man schier endlos unterwegs, um die Marina und die Zivilisation dahinter zu erreichen. Dort gibt es Souvenirstände, einen Souvenirladen, Post , Bank, Krankenstation, Reisebusse und natürlich auch bunte Eisenbahnen auf Gummirädern, die mit dem Läuten blankgeputzter Glocken auf sich aufmerksam machen. Während wir früher auf dem Kinderkarussell im offenen Wagen noch selbst läuten durften, kann das hier nur der „Lokomotivführer“. Die stolzen Eltern stehen auch nicht mehr mit dem Fotoapparat am Rand sondern sitzen selbst in der Bahn und fotografieren Souvenirstände, Souvenirladen, Post, Bank,…

Weit abseits am Ankerplatz, hinter den dichten Mangroven sieht und hört man nichts von alldem.

Hier grasen in aller Ruhe Meeresschildkröten um die verstreut ankernden Yachten. An den zahlreichen Korallenstöcken tummeln sich artenreich Fische, die gelegentlich durch Reiher, Pelikane und den einen oder anderen Hobbyangler dezimiert werden. Von Beschäftigten auf der Insel erfahren wir, dass die Fische hier nicht von der weltweit um sich greifenden Vergiftung durch Algen betroffen seien und vor des Inspektors Augen verborgen geangelt und verspeist werden könnten. Um unser Risiko gering zu halten, werden die verlässlichen Kontroll- und Ruhezeiten des Inspektors auch gleich an uns weitergegeben. Für sehr kurze Zeit erfährt unser Speiseplan eine willkommene Ergänzung, bis ein Barrakuda die Angelaktivitäten am Heck der PAPILLON bemerkt und die Fische vom Haken frisst, lange bevor sie die Wasseroberfläche erreichen. Eine weitere Nahrungsquelle aus dem Meer bieten die unseres Erachtens viel zu dicht im seichten Wasser liegenden Fechterschnecken. In anderen Teilen der Karibik sind sie wegen ihres Geschmacks beinahe ausgerottet. Dort liegen deren leere Gehäuse zu Massen aufgetürmt an den Ufern und zeugen von gewaltigem Verzehr ohne Rücksicht auf die Reproduktion. Auf Grenada hatten wir uns die küchenfertige Vorbereitung der außerirdisch anmutenden Leckerei von einem Rastafari vorführen lassen und fühlen uns seither mächtig kundig. Hier auf Cayo Largo interessiert sich niemand für diese Riesenschnecken. Touristen sind vollverpflegt, für die Beschäftigten fällt ebenfalls genügend ab, Einheimische gibt es nicht und für Fischer ist das Eiland tabu. Also ernten wir zwei der Schalentiere zum Eigenverbrauch und bereiten uns „Spaghetti Dschungelcamp“ zum Abendessen im Sonnenuntergang. Inzwischen haben wir auch mit viel Unterstützung den einzigen Lebensmittelladen der Insel in seinem Versteck hinter den Wirtschaftsräumen der Marina aufgespürt. Hier gibt es sporadisch sogar etwas Gemüse, dass man über die Zeit gesammelt, mit etwas Glück zu einem bereits bekannten Gericht kombinieren kann. Außerdem ist da ja noch das kleine Restaurant, das neben einem brauchbaren Internetzugang, die kulinarische Abwechslung von frittierten Hähnchenschenkeln mit Pommes zu 3,-EUR und Pizza zu 2,-EUR für den Träger des schmalen Geldbeutels vorhält. Die Essensreste übergibt man anschließend am besten selbst dem Meer und sieht mit Schaudern zu, wie sich ein hier siedelnder Schwarm riesiger Raubfische sofort darüber stürzt und das Wasser vor dem Steg beängstigend zum Brodeln bringt.

In den Sandlöchern einer kleinen Insel direkt neben dem Ankerplatz lebt eine beachtliche Echsenpopulation.

Die Marina bietet den Hotelgästen der Insel verschiedene Törns in die herrliche Umgebung und zu verschiedenen Tauchplätzen an. Da diese Echseninsel so praktisch auf dem Weg liegt, ist sie Bestandteil wirklich jeder Tour.

 

Von zahlreichen Katamaranen werden so täglich ganze Heerscharen angelandet um die verstörten Tiere in ihrer natürlichen Umgebung heimzusuchen. Wir wählen die ruhigen Abendstunden für unseren Besuch. Therapeutisch scheint da nicht mehr viel zu machen. Statt den von der Natur vorgesehenen Weg über das Relief zu nehmen, wurde beim Erklimmen der Sandhänge von den Besuchern so einiges breitgetreten. Aber auch die Tiere scheinen kaum mehr therapierbar zu sein. Offensichtlich an Futtergaben gewöhnt, strömen sie aus allen Richtungen in provokanter Motorik auf uns zu. Wir verlassen den kleinen Jurassic Park und widmen uns zukünftig wohl doch lieber wieder beschaulichen Strandspaziergängen neben Pelikanen, Dornhechten und kleinen Rochen, die durch das seichte Wasser schweben.






2016-05-14 Vom Natur- zum Steuerparadies

Nach zehn herrlichen Tagen auf Cayo Largo bereitet ein schmeichelhaftes Wetterfenster dem Idyll ein plötzliches Ende und wir planen unsere Überfahrt zu den Caymans. Das sind die Inseln mit den meisten Firmenbriefkästen in der Karibik. Uns fällt dabei das Guthaben ein, das wir selbst noch bei den Fiskalpiraten unseres angestammten Finanzamtes haben. Auf ihren Beutezügen waren sie gieriger als das Gesetz erlaubt und so sitzt der Skipper zunächst mit dem Notebook im Schatten der Palmen am WiFi-Hotspot und erklärt der Heimat die Steuer.

Auf Grand Cayman erwartet uns das Kontrastprogramm zu Kuba und wir erleben einen Konsumschock wie zuletzt 1989. Von einem Tag auf den anderen kommen wir aus einer Welt mit sehr überschaubaren Angeboten zu festen Preisen in eine der bunten Vielfalt zum Höchstgebot. Die Eintönigkeit von frisch gepresstem Guavensaft zu etwa 0,12€ pro angeschlagenem Glas wechselt zu einer enormen Auswahl an knallbunt eingefärbten Zuckerwassern mit künstlichen Aromen und ansprechenden Etiketten zu 2,00€ und mehr pro Einweg-Plastikfläschchen. Ein über Nacht zuvorkommend freundlich gewordenes Verkaufspersonal zieht uns an der Supermarktkasse für den übersichtlichen Warenkorb lächelnd eine beträchtliche Summe aus der Börse und fragt dann noch, ob wir denn auch zufrieden gewesen wären. Rund um den Anleger für die Kreuzfahrtschiffpassagiere in George Town reihen sich die steuerprivilegierten Juweliergeschäfte mit ihren glitzernden Auslagen aneinander. Mittendrin vertreibt ein geschmackvoll eingerichteter Laden geborgene Schätze aus in aller Welt gesunkenen Schiffen. Das erklärungsfreudige Personal vermag jeden Museumsbesuch an Informationen zu toppen und verschafft uns einen langen, aber kurzweiligen Stöberbesuch.

Trotz dichtem Linksverkehr auf den Straßen montieren wir unsere Fahrräder für eine Inselerkundung und machen uns sportlich auf den Weg.



Die Wasserfront ist bis auf wenige öffentliche Zugänge durchprivatisiert und mit oft zum Verkauf stehenden Prachtvillen nobel betoniert. Künstlich angelegte Kanäle erhöhen die Zahl der teuren Wassergrundstücke mit eigenem Bootsanleger noch einmal beträchtlich.

Auffällig ist die hohe Zahl an Leguanen, die unseren Weg kreuzt oder uns aus dem Schutz von Hecken heraus begafft. Die noch immer als bedroht geltenden Tiere scheinen hier gute Verbreitungsmöglichkeiten zu haben. Offensichtlich haben bei den heutigen Bewohnern Grand Caymans Fertigprodukte aus den Supermärkten das einst begehrte Leguanfleisch erfolgreich verdrängt. Das ist moderne Kochunlust im Dienste der Artenvielfalt.

Überall werben Tauchbasen mit dem ultimativen Unterwassererlebnis. Die Wasserqualität ist tatsächlich super, Korallenriffe und Korallenstöcke reihen sich rund um die Insel aneinander. Zum Schutz der Korallen vor zerstörerischem Ankergeschirr sind hunderte Festmachebojen ausgelegt, die von uns Yachties kostenlos benutzt werden können.

Wie so oft, entscheidet das Wetter über unsere Aufenthaltsdauer. Der vermutlich letzte Nordwindvorstoß der Saison kündigt sich an und verspricht leichtes Segelvergnügen auf unserem Weg nach Süden. Gleichzeitig wird er gemeinsam mit der von Südost heranrollenden Dünung für Wellenspaß rund um die Insel und somit für allerorts unbequeme Liegeplätze sorgen. Nach nur einer Woche klarieren wir also aus, bereiten das Schiff auf die nächste Passage vor, tuckern mit dem Dinghi an Land zu den Behörden und erledigen letzte Frischprodukteeinkäufe. Inzwischen türmt sich die aufziehende Kaltfront bedrohlich über den Horizont und bringt Spannung in die Rückfahrt zum Schiff, das bereits wie ein Rodeopferd in der Windsee springt. Mit einem gehörigen Adrenalinausstoß erreichen wir PAPILLON und schaffen mit Mühe und einigen blauen Flecken den Außenborder und das Dinghi an Deck. Wie in einem Cocktailshaker warten wir den Durchzug der Front mit ihren kräftigen Squalls in der folgenden Stunde ab und lösen nach der erwarteten Winddrehung unsere Leinen mit Kurs auf Providencia. Zwei Tage später erreichen wir die Riffe vor der Küste Honduras, die hier sehr weit in die offene See herausragen. Um Fischerei und Piraterie möglichst weiträumig auszuweichen, entscheiden wir uns, die Rosalind-Bank östlich zu umfahren. Derweil nimmt der Wind kontinuierlich ab und die Gegenströmung gewaltig zu. Um dennoch messbare Fahrt über Grund zu machen, schalten wir schließlich den Motor dazu. Kurz vor Sonnenuntergang nehmen Antriebsgeräusche und Vorschub plötzlich deutlich ab. Mit der Unterwasserkamera und dem letzten Tageslicht machen wir uns ein Bild von der Störung am Unterwasserschiff. Wir haben treibenden Plastikmüll aufgelesen, der einen Strömungsabriss am Propeller bewirkt. Nach einer bangen Nacht mit wenig Wind und reichlich Strömungsversatz in Richtung der Riffe unternimmt der Bordheld am nächsten Tag einen Tauchgang auf hoher See unter die in den Wellen tanzende PAPILLON und klariert den Antrieb. In wenigen Sekunden sind der Propeller wieder frei, die Unterarme an den am Unterwasserschiff siedelnden Seepocken blutig gekratzt und sicherlich alle Haie im größeren Umkreis alarmiert. Dankbar opfert unsere Aloe Vera danach eines ihrer Blätter zur Wundversorgung und verhindert erfolgreich eine Entzündung der tiefen Kratzspuren. Um ein Haar hätten wir ja unsere Aloe auf den Caymans eingebüßt, haben es aber dann doch noch geschafft, die strenge Gesundheitsbeamtin für eine Ausnahmelösung zu erweichen. Damit keine Insektenlarven über die Blumenerde oder gar invasive Arten eingeschleppt werden, verbieten viele Staaten die Einfuhr lebender Pflanzen. Mit der glaubhaften Begründung, dass es sich bei der Aloe um unsere Medizin handelt und der gegengezeichneten Belehrung, sie keinesfalls von Bord zu lassen, bekamen wir kostenlos und schriftlich eine „Sondergenehmigung zum Gesetzesverstoß“.

Nach etwas mehr als vier Tagen gegen die Strömung erreichen wir schließlich nach Einbruch der Dunkelheit die ehemalige Pirateninsel Providencia. Hier hatte der berühmte englische Pirat Henry Morgan einst seine Basis für den legendären Überfall auf Panama eingerichtet.

Die damals geheime Riffpassage ist heutzutage gut mit Leuchttonnen markiert. Trotzdem ankern wir vorsichtshalber über Nacht hinter dem Außenriff und planen die Einfahrt in die seichte Bucht erst bei Tageslicht vorzunehmen.
 

2016-05-26 Piratenland

In der Finsternis tasten wir uns mit dem Echolot durch die vorgelagerten Riffe zu einem geeigneten Ankerplatz. Der Wind ist eingeschlafen und das tiefschwarze Meer spiegelglatt. Von PAPILLONS Navigationslichtern angelockt, springen ausgewachsene Dornhechte um uns herum aus dem Wasser, die das Deck oft nur knapp verfehlen. Wir versenken unseren Anker, schalten Motor und Navigationsbeleuchtung aus und befinden uns plötzlich inmitten zigtausender Lichter auf der Wasseroberfläche. Die Leuchterscheinungen sind über einige hundert Meter rund um PAPILLON erkennbar, dauern im Einzelnen jeweils mehrere Sekunden und sind heller, als wir es von Plankton bislang kennen - ein gespenstisch-schöner Anblick inmitten absoluter Dunkelheit und Ruhe, der dem phantastischen Naturerlebnis dieser Überfahrt mit unserer ersten Walbegegnung einen ebenso beeindruckenden zweiten Höhepunkt hinzufügt. Nach nur kurzem Genuss versinken wir jedoch bald kraftlos in die Polster.

Am nächsten Morgen folgen wir der betonnten Einfahrt in die sehr seichte Bucht und gehen mit kaum mehr als der geläufigen Handbreit Wasser unter dem Kiel vor Anker. Zum Nachteil für unsere Reisekasse gehört Providencia politisch zum sehr weit entfernten Kolumbien, welches die Beauftragung eines Agenten für die Einklarierung zwingend vorschreibt. Auf der nur 5.200 Einwohner zählenden Insel hält Bernardo Bush das Monopol für die Klarierung von Schiffen. Insofern relativiert sich hier die Empfehlung der kolumbianischen Regierung, die nicht staatlich reglementierten Provisionsforderungen im Voraus abzusprechen. Also ergeben wir uns den Bedingungen des freien Marktes und sind schon bald kräftig gerupft, doch wohl registriert. Dafür bietet Bernardo den Seglern die morgendliche Nutzung seines Internetanschlusses und Regenwasser aus seinen privaten Auffangbehältern als kostenlose Extras an.

Zur Inselerkundung mieten wir uns einen der zahlreich angebotenen Motorroller. Wir erhalten, wie bei Mietfahrzeugen üblich, zur Orientierung eine Straßenkarte dazu. Sie zeigt die einzige Straße, die sich mit nur sehr wenigen Abzweigungen in kurze Sackgassen, auf etwa 17km einmal um die Insel windet. Zwischendrin gibt es eine Wanderbaustelle auf einer wohl mehrjährigen Inselumrundung. Motomobil erreichen wir nun die schönsten Plätze Providencias, verträumte Strände und schick hergerichtete Aussichtspunkte.







Mit viel Liebe zum verspielten Detail wurden auch Bushaltestellen von einem Künstler individuell gestaltet. Da gibt es hier einen überdimensionierten Seevogel, dort einen Kraken, eine Conch, oder vor der Bibliothek ist es ein Bücherstapel, der den fiktiven Wartenden Schatten spendet.



Echte Wartende gibt es in Ermangelung einer regelmäßigen Busverbindung so gut wie nicht. Außer dem Schul- und Kirchenbus begegnet uns auch in den folgenden Tagen kein Sammeltransportmittel. Die Insulaner sind fast ausschließlich mit Rollern und Motorrädern unterwegs. Auch die Polizisten fahren hier meist Motorrad. Sie sind die Einzigen, die mit Helm unterwegs sind, der aber aufgrund der Hitze auch nicht immer vorschriftsmäßig über den Kopf gezogen wird. Man sieht es ihnen gerne nach, denn auch sie zeigen sich nicht kleinlich in der Auslegung von Verkehrsvorschriften. Falschparken, Überholen im Überholverbot, Motorradfahren mit zwei Bierkästen am Lenker oder im vierköpfigen Familienverbund auf Sitzbank, Tank und Gepäckträger verteilt, ist alles noch kein Grund, sich bei den Bürgern unbeliebt zu machen. Wir überlegen schon, ob sich ein Polizist unserer Breiten hier überhaupt im Urlaub entspannen könnte, oder ständig in Gedanken mit dem Ausstellen von Strafzetteln übel gestresst wäre.

Trotzdem werden wir an einem der folgenden Tage von der Polizei herangewinkt, als wir die etwa 100m lange Schwimmbrücke zwischen den Inseln Providencia und Santa Catalina entlangbummeln. Man weist uns auf die Vielzahl großer Rochen hin, die gerade majestätisch durch das Wasser unter der Brücke schweben. Diesen Anblick sollten wir keinesfalls verpassen.

Ein weiteres sehr eindrucksvolles Erlebnis bietet sich uns einige Tage später an der gleichen Stelle. Sicherlich aus Versehen hat ein Junge einen 1,5m langen Hai an seiner Angel und sucht nach einer Lösung, ihn vom Haken zu bekommen. Nur wenige Meter entfernt ist eine  Jugendgruppe beim Tauchtraining. Ein Kind nach dem anderen verweigert die unmittelbare Passage am kämpfenden Hai, was schließlich die Trainerin veranlasst, die Lösungsfindung zu beschleunigen. Mit einem beherzten Schnitt durch die Angelsehne befreit sie Hai und Nachwuchsangler voneinander. Der Hai taucht ab und die Kinder werden umgehend zum Trainieren zurück ins Wasser geschickt. Aus! Zuhause hätten wir jetzt wohl einen Sommerlochfüller mit gefährlicher Bestie, die noch immer in der Tiefe lauert und alle paar Tage zur Auffrischung der Gänsehaut von erschreckten Fischern gesichtet wird, Warnschilder an den Stränden und Sondersendungen im Fernsehen. Hier reicht die Geschichte eventuell noch für eine Randbemerkung am Abendbrottisch. Haie gehören zum Alltag. Die Riffe ringsum sind voll davon.


2016-06-11 Survival

Der Himmel hat sich in den letzten Wochen zunehmend mit Wolken bedeckt, das Hydrometer bewegt sich kaum mehr unter die 90%-Marke und selbst die kleinsten Aktivitäten sind ungeheuer schweißtreibend. Immer öfter erhellen entfernte Gewitterblitze den Nachthimmel und kündigen den tropischen Sommer an. Es ist der zweite Sommer in diesen Breiten auf unserer Reise und wir stellen uns nach den Erfahrungen des letzten Jahres auf einen aufreibenden Abnutzungskrieg gegen Rost und Schimmel ein. Hier auf der weit im Meer gelegenen Insel weht meist noch eine erfrischende Briese durch die Bucht, bei deren Ausbleiben besonders die Nächte schnell zum Martyrium werden können. Eine unserer buntesten Paradiesvorstellungen in solchen Episoden ist ein 12V Autogebläse an der Decke der Schlafkabine. Leider ist hier weit und breit so etwas nicht zu bekommen, von marinetauglicher Verkabelung ganz zu schweigen. Das einzige Spezialgeschäft für Autoersatzteile an der Hauptstraße vertreibt wenige, fein säuberlich in einem kleinen Regal platzierte Gebrauchtteile unterschiedlicher Kfz-Modelle. Hier irgendeinen Treffer zu landen bleibt den ganz großen Glückspilzen vorbehalten.

Auf dem Kontinent ist das Klima derweil noch drückender. Die Ansteuerung Panamas zögern wir also weiterhin hinaus. Außerdem steht auf Providencia das jährliche Inselfest vor der Tür und verspricht, unsere Reiseerfahrungen zu bereichern. Trotz einiger Versorgungsengpässe können wir es in Providencia gut aushalten. Die Menschen sind freundlich, hilfsbereit und beschwören die gute Sicherheitslage. Nach einiger Zeit lassen sich für den systemintelligenten Segler auch die überlebensnotwendigen Muster in der grobmaschigen Versorgung erkennen. So wird alle zwei Tage günstiges Trinkwasser in 5-Gallonen-Mietbehältern an die Lebensmittelgeschäfte ausgeliefert, das meist schon kurz danach vergriffen ist. Frisches Gemüse kommt immer mittwochs per Schiff auf die Insel und sofort in die Läden.

Auf unsere amüsante Frage nach einem Waschsalon werden wir zunächst wie ein spannendes Gerücht von einem Passanten an den anderen weitergereicht und landen schließlich bei Shirley, einer jungen Mutter zweier Kinder, die gegen faires Entgelt unsere Wäsche erledigt. Freies Internet für die Inselbewohner und deren Gäste gibt es von der Regierungsverwaltung. Vermutlich zur Vermeidung von Gewöhnungseffekten und der Beruhigung ortsansässiger Netzbetreiber, wird es jedoch von Zeit zu Zeit abgeschaltet. Dankbar erfahren wir schon bald von einem zwinkernden Einheimischen, wo es für diesen Fall noch einen alternativen Zugang gibt.

In der Abenddämmerung holen wir gelegentlich zwei Fische für die Pfanne aus dem Meer. Manchmal ist das Leben auch günstig in der Karibik. Vergiftungen durch Ciguatera sind den Insulanern nicht bekannt, also trauen wir uns. Auch die Riffe rund um Providencia sind ausgesprochen fischreich, so dass die Fischer mit ihren kleinen Kähnen für gewöhnlich gute Fänge anlanden. In der Kooperative ergänzen wir daher gern für etwa 3,-EUR/ kg die Artenvielfalt auf unserem Teller. Die Großfischerei kann hier in den flachen Gewässern offenbar keinen erfolgreichen Raubbau betreiben, so dass es noch genügend ausgewachsenen Fisch zu ausgesprochen guten Konditionen gibt. Zwei karibisch-rustikale Restaurants am Südweststrand servieren gegrillten Fisch und Langusten überzeugend preisgünstig an verstreut im Schatten der Palmen aufgestellten Tischen. Wir benötigen jedoch jedes Mal einen Mietroller um dorthin zu gelangen, was uns die Exklusivität der Restaurantbesuche erhält.

Nach einer sehr sportlichen Wanderung mit hohem Trinkwasserverbrauch erreichen wir auf steinigen Wegen durch tropisches Dickicht den 420m hohen El Peak und genießen einen beeindruckenden Rundumblick.



Unterwegs schütten herrenlose Mangobäume in verschwenderischem Eifer ihre reifen Früchte über uns aus. Von Sammelwut getrieben, unternehmen wir so manchen Abstecher ins Unterholz und entkommen schließlich mit reicher Beute den Angriffen der aggressiven Waldameisen. Inzwischen feiern wir bereits die dritte Woche der Mangosaison und haben den größten Appetit nach frischen Früchten und scharfem Mango-Curry schon gestillt. Auch das faserige Mangolächeln gehört längst zur gelebten Freundlichkeit an Bord.


2016-07-01 Tropenkirmes

Das große Inselfestival von Providencia beginnt in diesem Jahr spektakulär mit einem gigantischen Feuerwerk. Unter lautem Grollen bleibt der Nachthimmel über Stunden hell erleuchtet. Präsentiert wird das Schauspiel von der Wetterküche der nahen „Innertropischen Konvergenzzone“, die ohne Rücksicht auf etwaige Kosten ein beeindruckendes Tropengewitter präsentiert. Teils kräftige Böen fegen über die Reede und zerren an den Ankergeschirren. Eine Smartphone-App überwacht derweil mit Unterstützung einiger GPS-Satelliten unsere Ankerposition und meldet beruhigende Werte. Trifterlebnisse in Squalls der letzten Tage hatten das Vertrauen der hier ankernden Yachties in den lockeren, seegrasbewachsenen Ankergrund soweit erschüttert, dass inzwischen an etlichen Schiffen vorsorglich Zweitanker nach unterschiedlichsten Ankerphilosophien mit pseudoreligiösen Zügen ausgebracht wurden. Auch unser Glaubensbekenntnis aus zwei im Winkel ausgebrachten, gekoppelten Ankern an einer Kette lässt uns nicht im Stich und PAPILLON nicht von der Stelle. Trotzdem bleibt der regelmäßige, blasphemische Kontrollblick unter die Wasseroberfläche auch in den folgenden Tagen unverzichtbar.

Am frühen Morgen wird die Bucht von einer Flottille aus 11 Yachten heimgesucht, die sich auf einem Törn von Cartagena über einige kolumbianische Überseebesitzungen zurück nach Cartagena befinden. Im Rigg einer sehr knapp neben uns ankernden Yacht werden die Fetzen eines zerrissenen Vorsegels geborgen und zeugen von den sportlichen Bedingungen der letzte Gewitternacht auf hoher See. Während die erste, in der flachen Bucht auf Grund gelaufene Yacht vom hypermotorisierten Boot der Küstenwache wieder freigeschleppt wird, nimmt eine zweite bereits selbstbewusst ein Riff weit neben dem betonnten Fahrwasser unter den Kiel und steht regungslos im hellblauen Wasser. Ohne viel Geschrei setzt sich das Ankerkino fort, bis das letzte Boot seinen Platz für die nächsten zwei Tage gefunden hat. Dinghis werden zu Wasser gelassen, Außenbordmotoren repariert, einige Frauen und Kinder krabbeln aus den Kajüten und werden zum Feiern an Land verbracht. Die Navy ist mit zwei Kriegsschiffen vor Ort, versorgt die Flottillenboote mit Trinkwasser, unterstützt bei der Reparatur der Außenbordmotoren und bewacht die Feierlichkeiten von See aus. Auch an Land tummeln sich jede Menge Sicherheitskräfte mit geschulterten Maschinenpistolen. Sie lächeln freundlich und grüßen karibisch lässig.

Aus der gesamten Westkaribik sind die Schönheitsköniginnen und diverse Livebands zum Festival angereist.



Die Gastschönheiten und deren Leibwachen bewegen sich in einem geschmückten Autokorso eine Runde um die Insel. Dieser Umzug wird von ohrenbetäubender Musik aus Lautsprecherwagen und Massen karnevalistisch geschmückter Insulaner auf Motorrädern und Motorrollern begleitet. Von vielen der Zweiräder hat man zur Hebung der Feierstimmung den Schalldämpfer abmontiert. Wer kann, betreibt etwas Akrobatik während der Fahrt. Aus der mit großem Getöse an uns vorbeiziehenden Abgaswolke lächeln freundlich winkend die prämierten Damen aus Providencia, St. Andres, Nicaragua, Belize, Panama, Guyana, Jamaika, der Dominikanischen Republik und anderen Regionen




Auf dem zentralen Platz liefern sich Kinder und Jugendliche eine Schlacht mit Wasserbomben, Sprühschaum aus der Dose und Mehlbeuteln. Vor der großen Bühne drängen sich die Massen in Erwartung der Einzelpräsentation der Schönheitsköniginnen. Als „Vorprogramm“ buhlen dort jedoch zunächst übergewichtige Männer in knappen, ausgestopften Bikinis um die Gunst des Publikums. Bis weit in die Nacht hinein erschallt später Livemusik die weiträumige Bucht. Der nächste Tag bringt die Präsentation der eingeflogenen Damen auf dem Wasser. Diesmal wird von geschmückten Booten aus gewinkt, während alle einsetzbaren Schnellboote der Fischer um die kleine „Miss-Flottille“ jagen und möglichst viel Welle und Gischt erzeugen. Das Wasser in der Bucht brodelt und die verankerten Yachten rollen in der aufgewühlten See während die Damen mit wohl veränderlicher Gesichtsfarbe ihre Runde drehen.

Inzwischen hat sich wieder Ruhe über die Insel gelegt und die Spuren des Festivals sind so gut wie beseitigt. Einen ersten, verstört in die Bucht zurückgekehrten Fisch hatten wir auch schon an der Angel. Jetzt noch zwei oder drei Wandertage und wir wären bereit zur Weiterreise. Leider deckt uns Rasmus seit Tagen mit 20-30 Knoten schneller Luft ein. Der Horizont zackt sich auf 3m Höhe und die Wetterprognosen sehen kein Ende der Turbulenzen. Momentan sieht es fast so aus, als hätten wir hier eine neue Heimat gefunden.

 

2016-07-29 Inselleben

Während wir unsere Köpfe an den nahegelegenen Riffen wieder und wieder staunend unter die Wasseroberfläche tauchen, oder den undurchdringlichen Busch im Inselinneren auf immer neuen Pfaden erkunden, fliegen die Wochen unbemerkt an uns vorbei.

Unsere submarinen Exkursionen zu bunt wimmelnden Fischschwärmen zwischen den Korallen und ruhig über den Boden schwebenden Rochen erreichen ihren vorläufigen Höhepunkt im besonders klaren Wasser nahe der winzigen Insel Cayo Cangrejo („Krabbeninsel“), die täglich von zahlreichen Ausflugsbooten der Tourismusbranche angelaufen wird. Fasziniert von diesem bunten Unterwassererlebnis hechten wir uns nach gelungenem Schnorchelgang verträumt zurück ins enge Schlauchboot und blicken kurz danach auf die strenge Mine eines grau uniformierten Park-Rangers, der sich im Schnellboot bedrohlich nähert. Wir erfahren, dass die gerade besuchte Unterwasserlandschaft bereits Teil des angrenzenden Nationalparks sei und werden mangels Bargeld in den Badehosen achselzuckend aus dem Paradies verwiesen. Also verlegen wir unsere luftgefüllte „Tauchbasis“ ein Stück weiter weg vom Nationalpark zum nächsten Riff.

An Land scheinen uns die Bewegungsmöglichkeiten abseits der Hauptstraße zunächst schon eher auszugehen. Es gibt nur drei ausgewiesene „Wanderwege“ auf den beiden Hauptinseln. Von weiteren Wegen durch den Busch weiß man hier oft nur vom Hörensagen und möchte sie auch nicht empfehlen, solange die Asphaltstraße befahrbar ist. Ein Motorradtaxi sei schneller und bequemer, erfahren wir immer wieder. Nach einprägsamer Erfahrung zu dritt auf einem Motorrad zeigen wir jedoch inzwischen ein lebensbejahendes Vermeidungsverhalten und ziehen den Naturgenuss beim Wandern vor.





Wie auf den anderen Karibikinseln auch, spazieren die Einheimischen hier nicht zum Vergnügen durch die Landschaft. Treffen wir auf eine der wenigen Ausnahmen, bekommen wir dann aber voller Stolz wichtige Informationen über einsame Pfade durch herrliche Landschaften. Oft werden die Wegbeschreibungen mit Hinweisen auf die Vielzahl vorkommender Arten von Mangobäumen verknüpft und das mangelnde Ernteinteresse der Insulaner beklagt. Tatsächlich laufen wir seit Wochen durch Teppiche herabgefallener Früchte, lesen nur die allerschönsten auf und kommen dennoch mit dem Verzehr kaum hinterher. Auch unser Vorrat an Kokosnüssen nimmt dank Wander- und Sammelleidenschaft  ständig zu. Die Natur zeigt sich verschwenderisch, während der Handel von Versorgungsengpässen geplagt ist. Das Trinkwasser geht den Lebensmittelgeschäften regelmäßig aus. Butter gibt es mitunter wochenlang nicht. Zurzeit ist auch kein frischer Fisch erhältlich. Die Fischer können nicht aufs Meer fahren, weil der Nachschub an Benzin auf sich warten lässt. In der Kooperative stehen nun drei Verkäuferinnen seit Tagen vor leerer Auslage und wischen ihre Smartphones.

Dafür haben wir unsere Gasflaschen für den Herd befüllt bekommen. Fast jedes Land hat da seine eigene Norm und nichts ist kompatibel. Langfahrer führen deswegen ein reiches Sortiment an Adaptern mit sich, von denen im Einzelfall für gewöhnlich keiner passt. In der Bilge einer britischen Yacht findet sich glücklicherweise ein Adapter, der unseren Anschluss mit dem hier verwendeten System verbinden lässt. Der freundliche, risikofreudige Gashändler vor Ort nimmt sich der Sache an, stellt eine der hier verwendeten Flaschen „auf den Kopf“ und befüllt daraus eine unserer Flaschen nach der anderen. Derweil stehen wir zusammen in einer dichten Gaswolke, hüsteln leicht und hoffen, dass kein Handy klingelt oder vibriert.


2016-08-17 Festland in Sicht

In großzügigem Abstand zieht ein erster Hurrikan durch die Westkaribik, mahnt uns, das Gebiet tropischer Wirbelstürme endlich zu verlassen und löst trotz der sicheren Entfernung eine spürbare Unruhe unter vielen Inselbewohnern aus. Man erinnert sich noch zu gut an Hurrikan „Beta“, der 2005 hier beträchtliche Schäden angerichtet hatte. Das komplette Dach ihres Hauses sei damals weggerissen worden und in Sichtweite um ihr Grundstück stand kein einziger Baum mehr, erfahren wir von unserer Fischverkäuferin in der Maracaibo-Bucht. Providencia liegt weit abseits der häufigen Zugbahnen tropischer Wirbelstürme durch die Karibik und ist entsprechend selten betroffen. Jedoch sind die wenigen Zyklonen in diesem Seegebiet während der letzten 20 Jahre auch fast ausnahmslos hier in der Nähe  -nur etwa 150 Meilen südlich-  entstanden. Damit bliebe im Ernstfall kaum Vorwarnzeit und der einzige Fluchtweg aus dem Hurrikangürtel wäre uns verbaut. Während wir das so recherchieren rückt auch der Ablauftermin unserer Visa bedrückend nahe. Ein verführerisches Wetterfenster nimmt uns schließlich die Entscheidung zur Aufenthaltsverlängerung ab und wir ergreifen nach reichlich Obstgenuss vom Mangobaum die Flucht aus dem Paradies.

Kurz vor dem Ende unserer gemütlichen Seereise, etwa 30 Meilen vor der Küste Panamas stoßen wir auf eine gewaltige Wetterfront, die sich unausweichlich über den gesamten Horizont erstreckt.



Auch wenn es die unheilschwangere Erscheinung selbst dem Ungläubigen suggeriert, die Vorhölle ist nach einer Papstverkündung vor einigen Jahren nicht mehr existent. Meteorologen sprechen bei der Wetterküche, die das Gebiet um den Äquator ganzjährlich mit kräftigen Gewittergüssen eindeckt von der „Innertropischen Konvergenzzone“. Dort hinter dem "Regenbogen" liegt Panama und es gibt für uns heute keinen Weg vorbei. Mit einiger Überwindung und weichen Knien steuern wir unsere PAPILLON sehenden Auges dort hinein, treffen glücklicherweise nicht auf allzu viel Wind unter den Wolkenmassen und erreichen nach einem Ritt durch kabbelige See schließlich klitschnass Bocas des Toro im Westen Panamas.

Kaum liegt der Anker auf dem Grund, sind auch bereits die Offiziellen zahlreich bei uns an Bord und zelebrieren den Auftakt zur großen Einklarierungsprozedur. Nachdem erste Formulare ausgefüllt sind, erfolgt das Inkasso für den vorgeschriebenen „On Bord Service“ durch jeden einzelnen Beamten und läppert sich schließlich auf 95,-US$. Mindestens zwei der Uniformierten muss der Skipper später noch in ihren über die Stadt verteilten Büros aufsuchen, da Visa und auch die Fahrtgenehmigung für das Schiff nur dort ausgestellt werden können. Da sind dann auch die richtig großen Beträge fällig. Nachdem insgesamt knapp 500,-US$ den Weg aus unserem Besitz gefunden haben, sind wir schließlich legal im Land und dürfen das üppig grüne Archipel um Bocas genießen.





Im Hintergrund erheben sich die Mittelamerikanischen Kordilleren mit dem 3477m hohen Volcan de Chiriqui nahe der Grenze zu Costa Rica. Nach all den Inseln seit unserer Abreise aus Marokko vor etwa 17 Monaten haben wir das erste Mal wieder einen Kontinent vor Augen.

 

2016-08-31 Viel Rauch



Das von tropischem Regenwald bedeckte Archipel um Bocas del Toro gilt seit der letzten Kolumbusreise-Reise zu Beginn des 16. Jahrhunderts als entdeckt. Wer die bis dahin hier siedelnden Indianerstämme eine Ewigkeit vorher in die Gegend führte, ist von den Geschichtsgelehrten noch nicht abschließend geklärt, vermutlich war es der Ur-Russe über die einst zugefrorene Beringstraße. Kaum vorstellbar, welchem Mut und Einfallsreichtum es bedarf, eine Völkerwanderung durch das unbesiedelte Sibirien und Alaska zur besonders unwirtlichen Eiszeit mit höchst fragwürdigen Nahrungsquellen … ernsthaft als Theorie zu vertreten.


Heute führt die transamerikanische Backpackerroute hier entlang. Viele kleine knallbunte Hostels werben neben den wenigen Hotelburgen mit günstigen Schlafmöglichkeiten. Die Strandbars haben sich mit langen Cocktailkarten, moderner Musikauswahl und unbequemem Gestühl auf das überwiegend jugendliche Publikum eingestellt. Auf der zur karibischen See hin offenen Nordseite der Inseln brechen sich die Wellen bereits weit vor der Küste und bieten der allgegenwärtigen Surfer-Szene gute Bedingungen.



Zunächst liegen wir zur eingehenden Versorgung vor Bocas-Town, dem Hauptort des Distriktes. Das Ufer ist mit Stelzenhäusern fast vollständig zugebaut und bietet so kaum eine Landemöglichkeit selbst für unser winziges Dinghi. Wir engagieren uns mit der Betreiberin eines kleinen Hostels und sind an ihrem Steg fortan geduldet. Eine kleine Wassertankstelle füllt uns Treibstoff über einen Plastikschlauch mit „Daumen-Dichtung“ direkt aus dem halboffenen Fass ab. Schwell von Wassertaxis in unermüdlichem Dauereinsatz lassen PAPILLON tagsüber fröhlich an ihrer Ankerkette tanzen. Stechende Sandfliegen erweisen sich mitunter als nächtliche Plage. Diese winzigen Blutsauger starten bei Windstille vom Strand aus gigantische Angriffswellen, überwinden Moskitonetze im Formationsflug und schlagen unsichtbar, geräusch- und erbarmungslos zu. Mit Räucherbenebelung lassen sie sich abschrecken und so ähnelt PAPILLON zumindest olfaktorisch schon bald einem Buddha-Tempel.


Zurzeit ankern wir räuchernd einige Meilen abseits des Trubels vor einem der vielen exotischen Strände mit direkt anschließender Regenwaldvegetation und genießen Kokosnüsse, die Ruhe und das Leben.


2016-09-08 Leeres Kataster

Als uns die frischen Nahrungsmittel endgültig ausgehen, nehmen wir wieder Kurs auf Bocas-Town, verproviantieren uns neu und steuern schließlich die nahe Porras-Lagune an. Indigene in uralten Einbäumen fischen in der engen Einfahrt. Man winkt uns zu, bietet den mageren Fang zum Verkauf an und fragt nach Reis, Milch und Buntstiften für die Kinder. Unsere Marschfahrt unter Maschine wird mit dem handgepaddelten Einbaum bequem mitgehalten. Während der Fahrt wechseln wir ein paar Worte mit einem der Eingeborenen und reichen etwas Reis über die Bordwand.



Die weitläufige Lagune ist von dichtem Regenwald und Mangroven eingeschlossen. Es ist völlig windstill. Manchmal spiegelt sich die Bergkulisse im unbewegten Wasser. Das letzte Geräusch der Zivilisation verstummt, als wir vor Anker unsere Maschine endlich abgeschaltet haben. Nur ab und zu durchbricht das Schnaufen vorbeiziehender Delfine oder der Schrei eines jagenden Raubvogels die Stille. Etwas unheimlich, ähnlich der Bestie aus Schwarz-Weiß-Horrorfilmen klingt es, wenn die Brüllaffen in den Morgenstunden über große Entfernungen ihr Revier gegen konkurrierende Gruppen verbal abstecken. Ist das erstmal geklärt, herrscht wieder Ruhe im Urwald. Ganz selten knattert mal ein Generator und versorgt eine der wenigen Hütten am Ufer spärlich mit Strom. Wer hier wohnt, ist von jeder Infrastruktur abgeschnitten, keine Wasserversorgung, keine Elektrizität, keine Straße. Billiges Bauland in dieser nur sehr dünn besiedelten Gegend zieht inzwischen zunehmend US-amerikanische Aussteiger an, die sich in autarken Immobilien hier niederlassen. Auf unseren Streifzügen durch die Mangroven treffen wir auf eine US-amerikanische Grundstücksmaklerin, die mit einem Landsmann im Boot gerade Ausschau nach einem geeigneten Kaufobjekt hält. Die kleine Insel, die wir gerade eben betreten hatten, wird für unter dreißigtausend Euro angeboten. Indigene führen traditionell kein Grundbuch, und so reicht das veräußerbare „Niemandsland“ hier noch heute bis zum Horizont.



2016-10-04 LandausFlug

Die anhaltende Hurrikansaison und die damit einhergehende maritime Immobilität bringen uns dazu, das Schiff für einige Zeit in Panama zurückzulassen und auf dem Landweg Mittelamerika zu bereisen. Im vollgestopften Kleinbus erreichen wir die Grenze nach Costa Rica, erledigen leidige Zoll-, Aus- und Einreiseformalitäten, schleifen unser Gepäck in unbarmherziger Sonnenglut über die lange Hängebrücke, die den Grenzfluss überspannt und nehmen den nicht-klimatisierten Linienbus in die Hauptstadt San José. Die Vorfreude auf Luftverbesserung beim Verlassen des stickigen Transportmittels nach vielen Stunden Fahrt durch die Berge wird sogleich unter einer dicken Staubschicht begraben. Gerade ist der nahe Vulkan Turrialba ausgebrochen und hüllt die Gegend in eine dichte Aschewolke. Das Atmen fällt schwer, die Asche brennt in den Augen und die Sorge um unsere Flugverbindung nach Mexiko am nächsten Nachmittag steigt. Mit roten Augen und einer Staubmaske aus dem Baubedarf vor dem Gesicht verbringen wir einen ansonsten angenehmen Tag in San José unter freundlichen und auffallend kontaktfreudigen Bewohnern. Am Flughafen treffen wir später auf das erwartete Chaos. Bis auf wenige Ausnahmen sind alle Flüge annulliert, die Schalter der Fluggesellschaften hinter gewaltigen Warteschlangen versteckt und die Gesichter der Reisenden ins Unendliche gedehnt. In banger Freude erfahren wir vom Start unseres Fluges und lassen schon bald die Aschewolke unter uns. Vom Flieger aus genießen wir einen beeindruckenden Blick auf den rauchenden Berg, den wir aufgrund unserer preisgünstigen, aber dafür arg verwinkelten Reiseroute von nun an noch öfter zu Gesicht bekommen sollen. Nach dreimal Fliegen erreichen wir schließlich Merida auf der Halbinsel Yucatán in Mexiko. Von hier aus starten wir in einem winzigen Mietwagen zu den Maya-Ausgrabungsstätten von Chichén Itzá, Tulum, Becán, Chicanná, Edzná, Kabah und Labná, der Maya-Grotte von Loltún und den Cenotes X-Batun und Dzonbacal. Die bescheidene Mietwagengröße wird sich im Laufe unserer Tour schnell bewähren. Schon am dritten Tag gibt es Probleme mit dem Anlasser. Wir telefonieren mit der Zentrale der Mietwagenfirma und erhalten nach großem Bedauern den Vorschlag, auf eigene Kosten eine Reparatur zu veranlassen, wenn wir gern den „besonderen Komfort“ eines stets anspringenden Wagens genießen möchten. Unseren Gesichtsausdruck der verblüfften Erstarrung verpassen wir allerdings für die Nachwelt im Foto festzuhalten. Die mexikanische Küche ist äußerst nahrhaft und wölbt sich bereits nach kurzer Zeit recht unschön über den Hosenbund. Leider bekommen wir die Frühstücksenergie auch durch nun regelmäßiges Anschieben des abenteuerlichen Mietwagens einfach nicht verbrannt.

Chichén Itzá ist mit der großen und weitgehend erhaltenen Kukulcán-Pyramide die touristische Hauptattraktion Yucatáns und entsprechend vom Bustourismus überlaufen.



Besonders voll wird es zweimal im Jahr zur Tag-und-Nacht-Gleiche. An diesen beiden Tagen ist auf der Haupttreppe der Pyramide ein besonderes Schattenspiel einer scheinbar herabgleitenden Schlange zu beobachten, das sich mit den steinernen Schlangenköpfen am Fuß der Treppe verbindet. Ohne Wissen um die mystische Begebenheit des heutigen Tages begeben wir uns arglos und glücklicherweise sehr zeitig am Morgen auf das Gelände.





Mit nur wenigen Besuchern teilen wir uns die besten Fotopositionen auf die beeindruckenden Bauwerke und können die Besonderheiten von Echo und Schall zwischen den Gebäuden ungestört erleben. Inzwischen errichten unzählige Souvenirhändler bunte Stände. Bis zum bedrohlich anschwellenden Besucheransturm am frühen Nachmittag haben sie die Wegränder mit T-Shirts, Tüchern und tausenden von „frei-nach-Maya“ interpretierten Devotionalien aus Hobbyplast zugestellt, echter Maya-Kitsch eben. Wir lassen vom kühlen Schattenplatz aus die Ruinen noch etwas auf uns wirken und verlassen dann tief bewegt von den Eindrücken der gewaltigen Architektur beinahe fluchtartig das Ausgrabungsgelände.

Tulum liegt in der Haupteinfallsschneise des Massentourismus sehr malerisch direkt am karibischen Meer. Die Ruinen stehen in Größe und Ornamentik weit im Schatten Chichén Itzás, aber dafür im Licht einer grandiosen Landschaft.

Becán und Chicanná sind benachbarte Ausgrabungsstätten weit abseits der üblichen Touristenpfade im Dschungel. Hier sind wir fast allein unterwegs. Die täglichen Besucher sind an den Fingern eines Sägewerkers abzählbar. Im Gegensatz zu den stark frequentierten Ruinen am Anfang unserer Rundreise dürfen diese hier (noch) betreten und beklettert werden. Nach extremsportlicher Betätigung gibt es fantastische Aussichten auf die umliegenden Ruinen und das grüne Dschungelmeer ringsum.





Zwischen den gewaltigen Bauwerken flattern hellblaue Morphofalter mit einer Flügelspanne von 10 bis 15 cm durch den Urwald. Über unseren Köpfen kreisen die Geier und manchmal fliegt ein bunter Tukan durch die Ruinen, einfach traumhaft.

Auf der Rückfahrt nach Merida besuchen wir noch die archäologischen Stätten Edzná, Kabah und Labná und runden unser Bild von den Maya ab. Die oft riesigen Bauwerke unterschiedlicher Architekturstile präkolumbianischer Maya-Zeit sind fast ausschließlich aus Steinen in handlicher Größe errichtet. Die Außenseiten der Verblendsteine sind plan und rechteckig geschliffen. Dahinter sind unbehauene Steine verbaut.







Nur sehr selten treffen wir auf gewaltige Monolithen, die mit Muskelkraft wohl kaum zu bewegen sind. Ob hier einst moderne Cargolifter außerirdischer Lebensformen oder weitaus primitivere Kräne und Hebel zum Einsatz kamen, wird wohl noch lange Stoff für parawissenschaftliche Auseinandersetzungen liefern. Manchmal sind Pyramiden auf vorher bestehende, kleinere aufgepfropft worden. Insgesamt treffen wir auf wenig gesichertes Wissen über die Maya, viel Interpretation und immer große Faszination.

In Loltún gibt es eine der vielen Grotten, die von den Maya für rituelle Zwecke genutzt wurden. Die Eintrittspreise für Touristen sind vergleichsweise hoch und die zusätzliche, kostenpflichtige Buchung einer Führung obligatorisch. Zum Ärger unseres Guides sind wir lediglich zu zweit und so drückt er auf der etwa zwei Kilometer langen Führung durch die mystische Tropfsteinhöhle sehr auf die Zeit. Damals in den Siebzigern diente er als Vorlage einer bekannten Zeichentrickserie: Speedy Gonzales, die schnellste Maus von Mexiko.

Zum Abschluss unserer Maya-Tour besuchen wir die Cenotes X-Batun und Dzonbacal, zwei von mehreren hundert Zugängen zum vermutlich größten Unterwasserhöhlensystem der Erde. Cenotes waren für die Maya Eingänge zur Unterwelt. X-Batun ist mit  glasklarem Grundwasser gefüllt und lädt geradezu zum Baden ein.



Während unserer einstündigen Planschpause in diesem Elfenland können wir sie ganz für uns allein nutzen. Den nächsten Gästen begegnen wir erst auf dem 2 km langen Rückweg zur Straße. Seit Jahren waren wir nur im gut tragenden Salzwasser schwimmen und sind über unseren Tiefgang im Süßwasser doch recht erstaunt. Das Schwimmen hier ist schon deutlich kräftezehrender als hinter der Badeplattform der PAPILLON.

 

2016-10-14 Zurückgekehrt

Den letzten Tag vor dem Rückflug verbringen wir in Merida, der im Kolonialstil erbauten Provinzhauptstadt Yucatáns. Bevor wir uns in die belebte Innenstadt wagen, stoppen wir noch kurz bei unserer Mietwagenstation, stellen den Motor ab und bitten ganz freundlich um Starthilfe. Nach verzweifelnder Selbsterfahrung des Angestellten sitzen wir dann wenig später im deutlich größeren Ersatzmietwagen und sind auf dem Weg ins Stadtzentrum. Grüne Parks und ansehnliche Architektur machen den Besuch lohnend.

Vom für die Karibik vergleichsweise guten Angebot und Preisniveau lassen wir uns schließlich auch in die von Menschen überquellenden Einkaufsstraßen am Rande der Innenstadt locken, die wir kurze Zeit später vollgepackt, reizüberflutet und abgasbenebelt wieder zurücktaumeln.

Am nächsten Morgen treten wir dann die zweitägige Rückreise zum abgeschiedenen Liegeplatz unseres mobilen Eigenheimes an. Während sich das endlose Blätterdach des Regenwaldes unter dem startenden Flugzeug ausbreitet, blicken wir auf sehr beeindruckende Erfahrungen der 10-tägigen Rundreise zurück. Es gäbe auch abseits unserer Route noch viel zu entdecken, wenn die Sicherheitslage es zulassen würde. In vielen Regionen Mexikos sind leider Überfälle, Entführungen und Morde durch bewaffnete Banden an der Tagesordnung.

Inzwischen sind wir zurück in der Wildnis um Bocas del Toro, ankern abseits allen Trubels an einsamen Orten, lauschen den Brüllaffen im Dschungel und beobachten Delfine, die in der Porras-Lagune rund um PAPILLON ihr Frühstück jagen. Pelikane gleiten knapp über die Wasseroberfläche und erbeuten, was den Delfinen gerade noch entwischen konnte. In den Gallego-Cays schnorcheln wir an einsamen Riffen. Wir sehen uns satt an bunten Korallen und Aquarienfischen, bis dieser Hai genau im Weg liegt und unsere Lust auf die Unterwasserwelt eintrübt.






Die anstehenden Putz- Wartungs- und Reparaturarbeiten am Schiff gehen uns leicht von der Hand und wir kommen trotz ablenkendem Ambiente ganz gut voran. Sobald unsere bestellte Unterwasserfarbe aus den USA eingetroffen ist, werden wir uns um einen Krantermin bemühen und PAPILLON mal wieder zum Bauchstreichen, Anodenwechseln und Propellerschmieren an Land stellen.

 

2016-11-11 Schattenseiten 
 
PAPILLON steht mit freigekratztem Bauch sorgfältig aufgebockt neben dem Travel-Lift in Almirante und verlangt weit mehr Zuwendung, als wir zuvor optimistisch geplant hatten. Die Barnacles (Rankenfußkrebse) haben sich tief in den Farbaufbau des Unterwasserschiffes vorgearbeitet, und sind nur mit  einer größeren Schleifaktion zu entfernen. Mit geliehener Schleifmaschine hüllen wir uns also erstmal zwei Tage in eine Wolke aus giftigem Antifouling-Schleifstaub und blutrünstigen Sandfliegen. Die Kombination aus hohen Außentemperaturen und anstrengender körperlicher Betätigung erzeugen einen knöchelhohen Flüssigkeitsstand in unseren Schutzanzügen. Alle zugänglichen Körperpartien rund um Schutzbrille und Atemmaske werden von hungrigen Sandfliegen schmerzhaft angenagt, die wohl wissen, dass wir keine Hand zur Abwehr frei haben. Aufgetragene Schutzlotionen haften im Dampfsauna-Klima nur sehr kurze Zeit.



Wir sind also hoch motiviert, zügig voranzukommen. Tagsüber leiden einige angestellte Arbeiter an benachbarten Schiffen mit uns. Nachts sind wir allein auf dem Werftgelände. Lediglich Coco und Chocolate, die Wachhunde des unbeleuchteten Anwesens leisten uns dann Gesellschaft und beziehen für die Dauer unseres Aufenthaltes Quartier unter PAPILLON. Nebenan beladen lautstark die Kräne des Chiquita-Port-of-Almirante rund um die Uhr riesige Containerschiffe mit Bananen.

 
 
Nach sechs Tagen Höllenritt erstrahlt PAPILLON im neuen Anstrich. Mit den hilfsbereiten Werftarbeitern haben wir uns inzwischen angefreundet und werden mit einer Papaya aus dem „Werftgarten“ verabschiedet. Wieder eingekrant, lächeln wir aus von Sandfliegenbissen geschwollenen Gesichtern im feierlichen Rotweinrausch und widmen uns wieder den genüsslichen Seiten des Fahrtensegelns. Ankernd vor den Sandstränden der Boca del Drago mit ihrer guten Wasserqualität, waschen wir die Reste des roten Schleifstaubs aus den Poren, sammeln Kokosnüsse und machen Ferien mit Traumatherapie.
 




 

 

2016-11-20 Schwimmende Ärzte

Mit der Entspannung kehrt die Entdeckerfreude zurück und wir segeln zum vorgelagerten Inselchen Swan Cay. Auf einem steilen Felsen im Meer haben Vogelkot und Tropenklima über die Jahre eine beschauliche Pflanzenwelt hervorgebracht. Leider beendet die aufkommende Dünung schon bald die Zeit des ungetrübten Naturgenusses und vertreibt uns auf einen besser geschützten Ankerplatz.


Unser nächstes Ziel ist die abgeschiedene Azul-Bucht (oder auch Bluefield-Lagune) auf der Halbinsel Valiente, die einigen Indiofamilien eine landschaftlich reizvolle, aber recht isolierte Heimat bietet. Die sich tief in die Halbinsel einschneidende Bucht wird nur selten von Segelyachten angelaufen. Noch bevor unser Anker den schlammigen Grund berührt, sind wir auch schon von der Dorfjugend als exotisches Ausflugsziel ausgemacht und von zahllosen Kindern in löchrigen Einbäumen umringt. Sie kommen von den bis zu einem Kilometer entfernten Ufern der Lagune auf PAPILLON zu gepaddelt. Je nach Temperament hängen sie quasselnd an unserer Reling oder treiben mit aufgerissenen Augen in kurzem Abstand zur Bordwand. Ganz ohne Rettungsmittel paddeln selbst Kinder im Vorschulalter bis weit in die Lagune hinaus, schöpfen von Zeit zu Zeit das eingedrungene Wasser aus den Kanus und sitzen doch meist in der Nässe. Der Einbaum ist hier das Haupttransportmittel. Bis auf einen schmalen, befestigten Pfad zum endlosen Traumstrand auf der ungeschützten Seeseite der Halbinsel und ein paar schlammigen Wegen durch den Sumpf gibt es keine Infrastruktur an Land. Vermutlich auf der Suche nach lange entbehrten Sozialkontakten beobachten wir einen Hund, der mehr als einen Kilometer quer über die Bucht schwimmt.



 

Mit dem Dinghi tuckern wir einen langen, verschlungenen Kanal durch die Mangroven entlang und lassen es schließlich vor einer kleinen Holzhütte zurück, dessen Besitzer uns seine Begleitung durch den Sumpf anbietet um sicher an den Strand auf der anderen Seite der Halbinsel zu gelangen. Ein junger Indio und seine schwangere Frau schließen sich ebenfalls an und wir machen uns auf den teils sehr schlammigen Weg. Immer wieder werden zum Durchwaten von Pfützen und Schlammlöchern die Schuhe ausgezogen. In 10-20 cm Tiefe spüren wir versunkene Laufbretter unter unseren Füßen. Wir versuchen Gedanken an giftige Schlangen und unangenehme Parasiten möglichst weit zu verdrängen. Einzelne glitschige, runde Äste überspannen mitunter als „Brücke“ harmlos und flach erscheinende Schlammpfützen. Ich rutsche ab und stecke bis zum Knie mit einem Bein im Schlamm. Beim hektischen Versuch, mit dem anderen Bein doch noch Halt zu finden, steckt dieses schließlich ebenso tief im Morast. Hebe ich ein Bein an, drückt sich das andere umso tiefer in den weichen Grund. Der Schopf, an dem ich mich vielleicht noch hätte herausziehen können, wurde mir erst kürzlich von meiner Bordfrau und Frisöse auf „pflegeleicht“ gestutzt. Unser Begleiter reicht mir seinen rettenden Arm. Es geht weiter. Schlammverkrustet und sumpferfahren erreichen wir schließlich den beeindruckend schönen Strand auf der anderen Seite. Wir vereinbaren Ort und Zeit für unsere Rückholung und genießen bis dahin das Ambiente.






Am nächsten Tag beschließen wir, den im Revierführer beschriebenen, befestigten Weg doch noch zu finden und stoßen auf eine mobile Krankenstation der FLOATING DOCTORS. Mehr als ein Dutzend junger Ärzte, Zahnmediziner, Apotheker, Dolmetscher und weiteres Personal aus aller Welt sind gerade für drei Tage hier im Einsatz und bieten im Namen der Hilfsorganisation kostenlose medizinische Versorgung für die hier abgeschieden lebenden Indiofamilien an. Alle drei bis vier Monate ist eine Gruppe der FLOATING DOCTORS vor Ort. Sie kommen von ihrer Basisstation nahe Bocas Town in einem offenen Langboot die etwa 70 km hierher motort, praktizieren mangels Strom ohne elektrische Geräte und übernachten schließlich in Hängematten im Freien. Wir werden sofort von ihnen herzlich begrüßt und herumgeführt. Im halboffenen Gemeindehaus finden nebeneinander mehrere Sprechstunden statt. Nebenan hat sich die Zahnarztpraxis spartanisch eingerichtet. Mit Handwerkzeugen wird hier Karies aus dem Zahnschmelz gekratzt, Zähne gezogen und den Jüngsten Zahnhygiene nähergebracht. Wenige der jungen Medizinabsolventen sind für längere Zeit und äußerst geringe Bezahlung bei der Hilfsorganisation angestellt. Die meisten sind unbezahlte Praktikanten, die für ihre Unterbringung und Verpflegung sogar noch einen monatlichen Unkostenbeitrag von etwa 1.500 EUR an die Hilfsorganisation zu leisten haben. Da interessiert uns die Motivation doch schon genauer. Manche suchen nach dem Studium die außergewöhnliche medizinische Erfahrung und einen interessanten Eintrag im Lebenslauf. Andere hoffen im Helfen auf Sinn und Halt. Wir erfahren von einem kolumbischen Arzt, der nach traumatisierenden Bürgerkriegserlebnissen Ablenkung in der Arbeit für die Hilfsorganisation sucht. Hier gibt es für ihn vermutlich mehr Erfolge zu erleben. In seiner Heimat wurde übrigens von einer knappen Mehrheit bei einer Volksbefragung gerade erst ein möglicher Friedensvertrag abgelehnt. Die Warteliste ist lang und der Tag kurz. Manche Patienten sind im Einbaum bis zu einer Stunde paddelnd hierher unterwegs gewesen und warten auf ihren Konsultationstermin. Die nächste Gelegenheit bietet sich erst in einem viertel Jahr.






2016-12-09 Der Letzte

Über dem Meer türmen sich seit Tagen die Wolken und zaubern uns eine Sorgenfalte nach der anderen ins Gesicht. Die Südwestkaribik liegt recht sicher außerhalb der üblichen Zugbahnen tropischer Wirbelstürme, die in den Sommermonaten immer wieder vor der afrikanischen Küste entstehen, mit den Passatwinden über den Atlantik heranziehen und dann mehr oder weniger schnell nach Norden abdrehen. Die sehr seltenen Zyklonen, die sich dennoch im Seegebiet der Südwestkaribik austoben, sind  auch fast ausnahmslos hier vor Ort entstanden. Sie haben dadurch kaum Vorwarnzeit und ändern auf ihrer Zugbahn oft plötzlich die Richtung, so wie zuletzt Hurrikan „Beta“, der 2005 unter anderem in Providencia beträchtliche Schäden angerichtet hatte (Blogbeitrag vom 17.08.2016).

In den folgenden Tagen braut sich nun Hurrikan "Otto" sehr eindrucksvoll direkt vor unserer Nase zum letzten Tropensturm der aktuellen Saison zusammen und bricht den Rekord von „Martha“ aus dem Jahr 1969 als bisher spätester Hurrikan der atlantischen Zyklonsaison seit Beginn der Aufzeichnungen.


 

Für unseren Standort gibt es glücklicherweise noch keine Sturmwarnung vom „National Hurricane Center“ in Miami, jedoch die Empfehlung, „Ottos“ Entwicklung ständig zu verfolgen. Wir verlegen uns an einen sehr geschützten Ankerplatz mit hervorragend haltendem Meeresboden und gutem Mobilfunkempfang. „Otto“ gewinnt und unsere Gesichtsfarbe verliert an Intensität, als sich das Sturmzentrum zunächst langsam auf die panamaische Küste zubewegt. Etwas verspannt verfolgen wir in den nächsten Stunden die Zugbahn des Hurrikans, der nun bald die vorhergesagte Richtung einschlagen und uns in gerade noch sicherer Entfernung passieren wird. Näher am Sturmgeschehen waren die Segelfreunde in Linton-Bay und Portobelo. Dort sind einige verlassene Yachten durch Wind und Schwell auf Grund gegangen.

 

 

2017-01-15 Festtage

Der imposante Natur-Thriller von der Entstehung und dem Abzug „Ottos“ hat unsere geplante Weiterreise zu den St. Blas-Inseln soweit in Verzug gebracht, dass wir beschließen, die Feiertage zum Jahreswechsel nun auch noch in dem beschaulichen Archipel um Bocas del Toro zu verbringen.



Umringt von Pelikanen und Delfinen verfeinern wir auf abgelegenen Ankerplätzen unser Handwerk, mit Bordmitteln Thüringer Stollen zu backen. Etwas übertrieben glitzernder, aber unzerbrechlicher Weihnachtsschmuck aus chinesischer Produktion schmückt den Salon und zaubert an Adventstimmung, was bei Außentemperaturen um die 30°C so möglich ist. Selten paddelt ein fischender Indio im betagten Einbaum durch die Bucht und bietet seinen bescheidenen Fang an. Für festtäglichen Luxus findet so nun auch der eine oder andere frische Lobster den Weg auf unsere Teller.

Während draußen vor der Küste die Wellen unangenehm hoch schlagen, bietet der zunehmende Wind dieser Jahreszeit beste Segelbedingungen im rundum gut geschützten Archipel. Je nach Wetterlage wechseln wir unsere Ankerplätze zwischen offenem Strand und engen Mangrovenbuchten. Sind die Vorräte aufgebraucht, segeln wir zum Einkaufen in die urbane Zivilisation. Auf ausgedehnten Landspaziergängen im Dschungel des urwüchsigen Nordens der Insel Colon treffen wir auf Brüllaffen und Faultiere, verbringen also die diesjährigen Feiertage quasi im Kreise der etwas entfernteren Verwandtschaft.







 

Der beschauliche Sandstrand auf der Meerseite der Insel ist nur über einen schmalen, schlammigen Pfad durch tropisches Dickicht oder auf Privatwegen der wenigen angrenzenden Grundstücke zu erreichen. Es verwundert also nicht, dass wir ihn die meiste Zeit des Tages trotz besten Badewetters ganz für uns allein haben. Wir lassen uns von der Brandung durchspülen, genießen eine der zahlreich herumliegenden Kokosnüsse und nehmen ein abschließendes Bad in einer kühlen, glasklaren Süßwasserlagune, die mit beeindruckender Strömung ins Meer überläuft.




Während wir auf dem Vorschiff die Sektgläser klirren lassen, beginnt für uns das Neue Jahr mit einem gewaltigen Feuerwerk über dem Hauptort Bocas Town. Wir bestaunen mehr als eine Stunde lang das nicht enden wollende pyrotechnische Spektakel über dem zum größten Teil aus gut getrocknetem Holz errichteten Städtchen und sind längst zurück unter Deck, als gewaltige Munitionsmengen aus den unzähligen Chinamärkten im Ort noch immer den Nachthimmel in bunten Farben geräuschvoll ausleuchten.

 




2017-01-28 Blind gestartet, blind gelandet


Das spiegelglatte Meer in der mit Riffen gespickten Crawl-Cay-Passage, auf der wir in geschützten Gewässern das Bocas-Archipel verlassen, reflektiert den grauen Morgenhimmel in seinen bescheidenen Nuancen. Zum dritten Mal tasten wir uns nun schon im Zickzack-Kurs durch das Gewirr an Korallenköpfen- und Bänken. Katja steht, wie in solchen Situationen üblich, auf dem Vorschiff und beteuert, bei den miserablen Lichtverhältnissen eigentlich nichts Auswertbares erkennen zu können. Matthias am Steuer vergleicht die vom Echolot gemeldeten Tiefen kopfschüttelnd mit den Angaben im Revierführer, jederzeit bereit, mit Schwung den Anschlag des Gashebels im Rückwärtsgang zu suchen. Theoretisch durchfährt man solche Gebiete recht sicher unter „Augapfelnavigation“ mit der Sonne im Rücken. Praktisch simuliert das Wetter zu höchst unpassender Zeit aber eben auch mal so einen „Grauen Star im Endstadium“ wie gerade heute. Nach einer gefühlten Ewigkeit befinden wir uns schließlich unbeschadet am Ausgang der Hindernisstrecke und unsere Gesichtszüge glätten sich langsam wieder etwas. Später klart dann auch der Himmel auf. Es liegen vier sonnige Tage mit leichten Winden und geringem Seegang vor uns.

 


Vor der Abenddämmerung steuern wir die Azul-Bucht (oder auch Bluefield-Lagune) auf der Halbinsel Valiente an. Bei unserem Besuch vor zwei Monaten hatte es uns hier sehr gut gefallen. Der kilometerlange Sandstrand auf der Luvseite ist uns einen weiteren Tagesausflug wert. Kaum liegt der Anker auf dem Grund, drücken sich die ersten Kindernasen auch schon wieder an unseren Rumpffenstern platt. Große runde Augen verfolgen bis zum Einbruch der Dunkelheit jeden unserer Schritte unter Deck. Ab und zu pocht auch mal der Rumpf eines Einbaums sanft gegen PAPILLON. Wir plaudern etwas mit den zahlreich herangepaddelten kleinen Besuchern und lassen ihnen geduldig die Freude an der Indiskretion. Noch gibt es hier kein Handynetz. Irgendwie müssen sie sich ja beschäftigen, so ohne ganz Smartphone.

 

Am übernächsten Morgen verlassen wir die kleinen „Big Brothers“ und nehmen die unbewohnte Insel Escudo de Veraguas vor den Bug.

 


PAPILLON ankert malerisch vor dem Strand, während wir tagsüber in den schönsten Buchten schwimmen gehen und uns dieses Inselparadies für spätere Jahre in eindrucksvollen Fotos konservieren. Das Wetter gibt uns zwei Tage Zeit zum Träumen, bevor wir dann wieder zu geschützteren Liegeplätzen aufbrechen müssen.



Von dem reichlich angeschwemmten Treibholz gibt es am Abend ein Lagerfeuer am Strand und etwas Unterhaltung mit der altbekannten Crew einer anderen deutschen Yacht.

 

Für die 120 Seemeilen bis Portobelo sagen die Wetterprognosen sehr wenig Wind voraus. Wir hoffen, er wird genügen, die Segel zumindest über die Nacht ausreichend damit zu füllen. Nach einigen Stunden unter Maschinen stellt sich gegen Nachmittag die erhoffte Brise ein und bläht uns die Segel sanft auf. Der Diesel verstummt und wir gleiten fast lautlos über das glatte Meer. Durch die mitlaufende Strömung machen wir trotzdem gute Fahrt über Grund. Allmählich legt der Wind auch etwas zu. Der Seegang folgt mit leichter Verzögerung. Dornhechte jagen sich in aufrechter Haltung über die Wasseroberfläche und untermalen das Naturschauspiel des Sonnenuntergangs auf offener See. Mit Einbruch der Dunkelheit verliert der Wind dann jeden Bezug zu seinen Prognosen. Wir müssen die Segel kräftig reffen und jagen trotzdem mit maximaler Rumpfgeschwindigkeit immer höher am Wind durch die mondlose Nacht. Unsere berechnete Ankunftszeit in Portobelo wandert aus den Mittagsstunden rasant in den Vormittag und schließlich in die zweite Nachthälfte. Auch wenn die Bucht durchaus bei Nacht sicher anzusteuern ist, legen wir aufgrund der Meldungen über dort noch immer auf Grund liegende Yachten (Hurrikan „Otto“ hatte hier ganze Arbeit geleistet) keinen Wert darauf. Um an Fahrt zu verlieren reffen wir die Segel noch weiter und erreichen schließlich beinahe ohne Tuch am Mast Portobelo doch noch zwei Stunden vor Sonnenaufgang. Im Lichtkegel der Taschenlampe suchen wir die Wasseroberfläche nach herausragenden Schiffsmasten ab und tasten uns langsam an die Ankerlieger heran, die teilweise völlig unbeleuchtet schnell wieder im Dunkel der Nacht verschwinden. Dann fällt der Anker … einfahren … geschafft.




2017-03-09 Emotionen

In der Morgendämmerung zeichnen sich allmählich die Umrisse der vielen anderen Ankerlieger, der im Sturm auf dem Riff gestrandeten Langfahrtträume und die aus dem Wasser ragenden Masten einer gesunkenen Ketsch vor dem Hintergrund der schwarzen Nacht ab. Zu unsrem Erstaunen werden zwei Yachten noch so viele Wochen nach ihrer Strandung auf den Untiefen der Bucht von ihren verzweifelten Eignern bewohnt, die sich offensichtlich inzwischen mit dem Leben im stark geneigten Raum irgendwie arrangiert haben. Der jüngere, ein Kanadier in etwa unserem Alter, hat den Traum von einer Bergung noch nicht ganz aufgegeben, Nachdem alle Versuche, die Stahlyacht mit sehr viel Motorkraft vom Trockenen zu bewegen keinen Erfolg brachten, hat er nun Tag und Nacht die Segel aufgezogen und hofft auf die ultimative Böe, die sein Schiff über das Riff und schließlich zurück in tiefes Wasser schleifen wird. Endstation Portobelo, das ist keine wirklich schöne Perspektive. Möge sich sein erhofftes Wunder bald ereignen!

Wir sind inzwischen voller Vorfreude mit der Organisation des bevorstehenden Tochterbesuchs aus der Heimat beschäftigt, reiben unsere Nerven an der aufwändigen Beschaffung einiger Ersatzteile aus Übersee blank und helfen Segelfreunden mit ihrem Katamaran durch den Panamakanal. Endlich erreicht uns eine Ersatzteillieferung von LEWMAR aus Großbritannien und reißt uns in einen Strudel der Emotionen. Die Euphorie, mit der wir die Lieferung entgegennehmen paart sich mit Erleichterung, bald einen wichtigen Punkt auf unserer Pazifikvorbereitungsliste abhaken zu können. Aus der Spannung beim Öffnen des Pakets entwickelt sich rasch Enttäuschung beim Anblick der völlig falschen Teile, die LEWMAR da so fein eingepackt und verschickt hat. Mitunter flammen auch kurze, sehr heftige Emotionen auf, die uns eigentlich völlig wesensfremd sind. Hoffnungsvoll schicken wir die verfehlte Lieferung auf ihre komplizierte Rückreise über den Ozean und erwarten geduldig schon bald einen zweiten Versandversuch.

Gleichermaßen urlaubsreif schließen wir unsere weit gereiste Tochter in die Arme und setzen schon bald die Segel. Vor dem Bug liegt das Inselparadies der San Blas.



Auf dem Archipel lebt das indigene Volk der Guna-Yala fast ausschließlich vom Tourismus. Dank der wehrhaften Widersetzung gegen zahlreiche Eroberungsversuche der älteren und jüngeren Geschichte haben sich die Gunas bis heute ihre (relative) Autonomie bewahrt. Vermutlich fehlen dem Archipel genau deshalb die ansonsten für Urlaubsparadiese üblichen Privatvillen, Hotels und Clubanlagen. Touristen werden meist in verstreut stehenden, palmbedeckten Holzhütten auf Hängematten gebettet und spartanisch verköstigt. Mit der Entfernung vom Festland verschwindet der Tourismus zusehends. Kaimou („Holandes Cays“) ist ein fast unbewohntes Segelparadies mit klarem Wasser, weißen Stränden und bunten Riffen.



Mit dem Wetter haben wir viel Glück und erwischen eine längere Ruhepause des in diesen Monaten üblicherweise recht kräftig blasenden Windes. Kurz bevor es wieder etwas ungemütlicher zu werden droht, setzen wir erneut die Segel und nutzen unsere verbleibenden Familienurlaubstage zu Dschungelwanderungen auf dem Festland.



2017-03-23 Vorspiel

Kaum sind wir wieder allein an Bord steckt das ölverschmierte Gesicht des Bootsmanns nacheinander im engen Ruderraum, im Motorraum und zuletzt im Ankerkasten. Katja sorgt für die notwendige Logistik zwischen dem eingekeilten Hobbymechaniker und seinen stets dezentral gestauten Werkzeugen. Bevor wir an die nächste Ozeanpassage gehen, wird noch mal ordentlich geschmiert, gefettet, ausgewechselt, gereinigt, neu gekauft und eingebaut. Trotzdem wird es sich bei der dauernden Beanspruchung auf See wohl nicht ganz vermeiden lassen, dass sich Ausrüstungsteile in den Weiten des Pazifiks teilweise wieder in ungeordnete Materie auflösen. So ein Pannenhilfsdienst „Blaue Engel“ draußen auf dem Ozean wäre nicht schlecht, scheitert aber schon an fehlenden Notrufsäulen.

Zwischen den Wartungsarbeiten unternehmen wir einen zweitägigen Segeltörn nach Colon und lassen PAPILLON für die Kanalpassage vermessen. Da kommt tatsächlich ein Inspektor mit dem Bandmaß an Bord und bestimmt recht vage die Gesamtlänge der Yacht. Aus unserem 36-er wird so ein 40-Fuß-Schiffchen, das schließlich in die niedrigste Gebührenkategorie bis 50 Fuß eingeordnet wird. Nach einer Stunde sind Schattenplatz und Bordtoilette für den „Lotsen“ inspiziert, ein Stapel Papier beschriftet und unser Nebelhorn moniert. Letzteres darf seine Luft nämlich nicht aus einer Lunge beziehen. Also mussten wir für 17,-$ ein selbstblasendes Horn kaufen. Das ist so eine Sprayflasche, die auf Knopfdruck Krach macht, bis sie leer ist. Toll!

Danach ist Zahltag. Die Kanalgebühr zuzüglich Kaution muss bar auf der Citi Bank eingezahlt werden. Überweisungen oder gar Kreditkartenbelastungen sind nicht möglich. Einen Bankautomaten zur Bargeldbeschaffung gibt es auch nicht in unmittelbarer Nähe der Citi Bank, so dass wir mit einem Geldbündel aus insgesamt 95 kleinen, gebrauchten Scheinen durch das für seine schlechte Sicherheitslage berüchtigte Colon ziehen. Nur wer sein Geld unbeschadet durch die Pistolenviertel bringt, darf später auch den Kanal passieren. Am Eingang der Citi Bank gibt es eine Sicherheitskontrolle. Mit Metalldetektoren und einem Blick in die Taschen wird geprüft, ob das ganze Bargeld auch tatsächlich unbewaffnet durch Colon transportiert wurde. Wir haben es geschafft und bekommen einen Transittermin, der ganze zwei Wochen später liegt.

Also richten wir uns erneut in Portobelo ein und besuchen das alle zwei Jahre stattfindende Festival der Farben.





2017-04-12 Durchgeschleust

Einige Dschungel-Wanderungen später rückt unser Transittermin in greifbare Nähe und wir verlegen uns für die letzten Vorbereitungen in die Shelter Bay Marina nach Colon. Die Stadt erhielt ihren Namen übrigens von den spanischen Eroberern im Andenken an Kolumbus. Erst seit der Fertigstellung des Panamakanals 1914 liegt sie am „Hinterausgang“ der Karibik. Ein medizinischer Hintergrund der Namensgebung kann also ausgeschlossen werden, drängt sich aber mit Blick auf die heruntergekommenen Bausubstanz, die hohe Kriminalitätsrate und die Farbgebung des Hafenwassers immer wieder auf.

PAPILLON liegt am Steg während ihr Wasserpass unter der Last einer Taxi-Ladung Proviant, der für den Kanaltransfer vorgeschriebenen Festmacheleinen (4 Stück mit mindestens 22mm Querschnitt und 38m Länge) und der zum Kollisionsschutz empfohlenen acht verpackten Autoreifen immer tiefer in den Ölfilm auf der Wasseroberfläche eintaucht. Unsere Crew für die Passage ist angeheuert. Ein Australier, eine Neuseeländerin und ein Spanier stehen in den Startlöchern um die monströsen Leinen in den Schleusen zu bedienen. Die Terminverschiebung der Kanalverwaltung um einen Tag haben sie geduldig hingenommen. Flexibilität ist wichtig! Yachten sind im Geschäft des Panamakanals erschreckend unbedeutend. Das spürt man. Normalerweise werden täglich drei bis sechs Yachten in jede Richtung geschleust. Zurzeit ist Hochsaison und die Wartezeit für Yachten, die sich nach uns angemeldet haben, beträgt inzwischen etwa einen Monat. Wir rechnen mit reichlich Gesellschaft und blicken etwas ungläubig um uns, als wir den Anker in den leeren „Flats“ (Ankerplatz für Kleinfahrzeuge, an dem die Kanalpassage startet) fallen lassen. Zwei Stunden haben wir noch bis zur vereinbarten Abfahrtszeit. Matthias beginnt mit der Einweisung der Linehandler und Katja bereitet eine kleine Zwischenmahlzeit vor, während ein Lotsenboot deutlich Kurs auf PAPILLON absteckt. Kurz darauf springt unser Advisor auch schon an Bord, erklärt uns, dass wir heute allein durch den Kanal gehen und der Schleusentermin gerade um zwei Stunden vorgeschoben wurde. Es wäre super, dass wir schon so zeitig am Treffpunkt lägen und wir könnten den Anker nun lichten, die Zeit drängt. Bevor wir uns fragen können, weshalb wir Telefonnummer und E-Mailadresse bei der Anmeldung angeben mussten, wenn man uns dann doch nicht kurzfristig informiert, sind wir bereits mit voller Fahrt unterwegs zu den Gatun-Schleusen. Egal! Dabei hätten wir dem Advisor so gerne noch etwas auf unserem teuer erstandenen, selbstblasenden Nebelhorn vorgespielt…

Wir freuen uns auf das mehr als 100 Jahre alte Technische Museum Panamakanal und hoffen auf eine ereignislose Passage.




Die erste Gatun-Schleuse schließt sich langsam hinter uns und beendet erhaben das Kapitel zur Karibik. Wir schauen auf mehr als 25 Monate voller beeindruckender Reiseerlebnisse in Martinique, St. Vincent, Grenada, Jamaika, Kuba, Kaiman, Providencia, Mexiko und Panama zurück. Nun schwimmt PAPILLON zum ersten Mal im Süßwasser. Wir sind im Niemandsland zwischen den Ozeanen. Etwas später liegen wir 27m höher im Gatun-See an einer Boje, baden mit den Krokodilen und saufen uns mit Balboa-Bier die Enge der Schlafplätze zu fünft auf Papillon schön.

Nach den Strapazen am ersten Tag, mit vier Leinen in der Mitte der Schleuse bei erhöhter Geschwindigkeit (8 statt der üblichen 12 Minuten Schleusenzeit) haben wir am zweiten Tag auf der Pazifikseite leichtes Spiel und dürfen längsseits an das Ausflugsboot „Isla Morada“, das an der Außenwand geschleust wird.




Die „Isla Morada“ ist noch zwei Jahre älter als der Panamakanal und war einst die noble Motoryacht Al Capones. In versteckten Tanks wurden mit ihr  in der Zeit der Prohibition Rum und Whiskey aus Jamaika und Kuba nach Florida geschmuggelt. Heute bietet der aktuelle Eigner touristische „Erkundungsfahrten“ durch den Panamakanal an. Wir werden als weitere Attraktion in den Tagesausflug eingebunden. Der Animateur verabschiedet uns nach jeder Schleusung und begrüßt uns in der nächsten Kammer über die Lautsprecher. Betagte US-Touristen beugen sich über die Bordwand hinab und bombardieren uns mit trivialen Fragen. Für unsere Geduld bekommen wir von der Crew ein paar gekühlte Getränke gereicht und können uns ansonsten zurücklehnen. Die Frage, wie viele Menschen denn an Bord unserer kleinen Yacht schlafen, beantworten wir wahrheitsgemäß mit: normalerweise zwei, letzte Nacht fünf und im Moment nur einer – unser Advisor.



Schließlich sind wir in drei Stufen auf das Niveau des Pazifiks hinabgeschleust, das letzte Tor der Miraflores Locks öffnet sich und vor unserem Bug erstreckt sich der Pazifik bis weit über den Horizont. Wie ein Blick auf unseren aufblasbaren Globus verrät, sogar mächtig weit. Den beschwerlichen und sturmgepeitschten Weg um Kap Horn hätten wir nun sauber abgekürzt. Mit Geld geht eben (fast) alles.





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