Atlantik
2014-10-25 Nachfahren August des Starken?
Die Hafeneinfahrt ist etwas tückisch und möglichst nicht bei Niedrigwasser zu passieren. Auch wenn die ständig gebaggerten Wassertiefen für Sportschiffe prinzipiell ausreichen, so schränkt ein um 2,5m geringerer Wasserstand den schiffbaren Fahrweg in der Breite so deutlich ein, dass ein Katamaran zwei Tage später dort auflaufen wird. Wir melden uns per Handy in der Marina und werden von einem Lotsen zum Einklarierungssteg eskortiert. Die Formalitäten nehmen einige Zeit in Anspruch. Lange Wartezeiten gibt es auf die angekündigte Zollkontrolle mit Drogenspürhunden, wobei sich der Vierbeinige dann auch als wenig motiviert und konzentriert erweist. Kaum aus seiner Transportbox befreit, jagt er eine streunende Katze an der Pier. Die gegebenen Befehle scheint er eher als mögliche Handlungsangebote des Beamten zu verstehen. Erst nachdem der Tiger sich dann kletternd in Sicherheit gebracht hat, folgt der strubblige Junkie bereitwillig auf die Papillon, dreht ein paar Runden an Deck, verweigert sich jedoch an der steilen Treppe des Niedergangs. Herrchen muss inzwischen die ganze Arbeit allein erledigen, öffnet jedes Schapp, fingert etwas im Wäscheschrank und schnuppert lange an den Kinesiotapes der Physiotherapeutin.
Später liegen wir gut vertäut in der Bouregreg-Marina direkt gegenüber des königlichen Yachtstegs mit Blick auf die blaublütigen Wasserfahrzeuge. Die Besatzung eines sächsischen Katamarans wird später mit dem Dinghi hier anlanden, just als der König mit Rieseneskorte den Hafen besichtigt. Vom Pfeifen, Geschrei und Gestikulieren der Beamten unbeeindruckt, wird das Gummiboot am Steg befestigt. Darauf folgt eine kurze Diskussion mit den Uniformierten, die schließlich im geordneten Rückzug der mutigen Sachsen von der königlichen Pier mündet.
Die Sehenswürdigkeiten Rabats, insbesondere die Kasbah und die Medina nehmen wir am zweiten Tag in Augenschein.
2014-11-01 „Blind Date“
Etwas Sightseeing, Marktbummeln und Schiffspflege lassen rasch sechs Tage vergehen. Rabat ist schön und die Gastfreundschaft lobenswert.
Hätte das ruhige Wetter nicht die Weiterfahrt nach Süden angeraten, wir würden wohl noch immer durch die engen Gassen der Medina schlendern, den Duft orientalischer Gewürze und die exotischen Emissionen der Garküchen inhalieren. Das bunte Markttreiben scheint endlos im Gewühl der Straßen und auch in der Zeit. Hier gibt es kein Wochenende und scheinbar auch keinen Ladenschluss. Lediglich zu den Gebetszeiten bleiben viele Stände unbesetzt und werden oft nur notdürftig mit einem Besen verstellt. Nun sollte man die Medina besser verlassen. Wenn sich die Türen der Moscheen erst öffnen, wird in den mit Männern gefluteten Gassen kein Fortkommen mehr möglich sein.
Die jungen Damen im Straßenbild folgen sehr unterschiedlich den religiösen Kleidungsgewohnheiten. Von der eher seltenen, schwarzen Burka bis zu körperbetonter, knapper Wäsche wird alles getragen. Auch wenn unser Auge mitunter die verhüllten äußeren Unterscheidungsmerkmale nicht wahrzunehmen vermag, die Kleinen haben nach dem Austoben auf dem Spielplatz doch noch immer die richtige Mama für den Heimweg gefunden.
Trotz angenehmem Flair in Rabat zieht es uns weiter, und wir segeln 71 Stunden nonstop ins südmarokkanische Agadir. Die nächtliche Küstenfahrt erweist sich dabei wegen der regen Fischerei mit selten beleuchteten Booten als recht anstrengend. Besonders nach Monduntergang steigt die Chance auf ein gefürchtetes „Blind Date“ mit einem Holzkahn oder Fangnetz und eine gute Nachtsicht wird gefragt. Auf der anderen Seite ist es gerade diese Dunkelheit, die das glitzernde Leuchtplankton und den Sternenhimmel zum wundervollen Erlebnis macht.
2014-11-07 Russisch kurz
Agadir liegt geografisch günstig auf der Sonnenseite Marokkos und bietet wieder hochsommerliche Temperaturen. Den boomenden Tourismus erkennt man wie andernorts auch an allgegenwärtigen Kitschständen, unehrlichen Taxifahrern und spärlich bekleideten Erwachsenen, die sich fotografierend in bunten „Eisenbahnen“ auf Gummirädern durchs Stadtbild chauffieren lassen. Um neue Fahrgäste anzulocken, läutet der hübsch uniformierte „Gummibahner“ unentwegt eine goldene Glocke und perfektioniert so geradezu den Eindruck von „Kinderkarussell“.
Hat man die Schlepper und Nepper der Touristenmeile erst hinter sich gelassen, zeigt sich Marokko ab der zweiten Häuserzeile dann auch wieder von seiner gewohnt ehrlich-gastfreundlichen und auch deutlich preiswerteren Seite. Wir decken uns für die nächsten Jahre mit Gewürzen ein und lassen den Skipper frisch frisieren. Sehr zufrieden mit dem neuen Haarschnitt, scheint seitdem jedoch die gezielte Ansprache auf Russisch zu dominieren. Anfangs irritiert, erklären wir uns das aber nun mit dem erheblichen Anteil russischer Touristen am Gesamtkontingent.
Die Stadt Agadir wurde nach dem Erdbeeben von 1960 komplett neu errichtet und ist somit vergleichsweise modern. Deutlich näher an Marrakesch gelegen als Rabat, und obendrein mit einem Anschluss an die brandneue, wenig befahrene Autobahn durch die schönen Landschaften des „Hohen Atlas‘“ gesegnet, nutzen wir Agadir auch als Ausgangspunkt für unseren geplanten Landausflug.
Gemeinsam mit einem befreundeten Seglerpaar machen wir uns auf den Weg ins belebte Marrakesch. Wir starten in den Ménara-Gärten, die gemeinsam mit der historischen Innenstadt zum UNESCO-Weltkulturerbe zählen. Neben dem bekannten Fotomotiv vom Pavillon hinterm Wasserreservoire vor der Kulisse des schneebedeckten Hochgebirges, ist leider der antiken Olivenplantage nicht so viel mehr Beschaulichkeit abzuringen.
Da Vermag der später besuchte Bahia Palast am Rande der Innenstadt weitaus stärker zu beeindrucken.
2014-11-18 Pökeltour
Gutes Wetter, niedrige Lebenshaltungskosten und immer wieder hohe Wellen aus dem Nordatlantik laden uns zu einem längeren Aufenthalt in Agadir ein. Bald schon kennen wir uns aus, haben den Schlachter, den Geflügelhändler, den Obstverkäufer und den Bäcker unseres Vertrauens gefunden. Wir wissen, wo man für 4,00 € lecker Kamel essen kann und brauchen inzwischen auch keinen Stadtplan mehr zur Orientierung. Es wird also höchste Zeit zur Weiterreise…
Für etwa 36 Stunden beruhigt sich das Wettergeschehen draußen auf dem Atlantik, so dass wir eine ruhige Überfahrt nach Lanzarote erwarten dürfen. Nach insgesamt zwei Wochen verabschieden wir uns nun von unseren Stegbekanntschaften. Besonders eine litauische Crew aus Vater, Tochter und deren Freundin ist uns sehr ans Herz gewachsen. Sie segeln eine kleine Holzyacht ohne jeden Komfort an Bord. Die „ganz großen Fachleute“ am Steg bezweifeln schon laut die Ozeantauglichkeit der weder mit Motor, noch mit Elektrik ausgestatteten Yacht. Dabei kommt der Skipper bereits aus Hawaii, segelte über Australien, Thailand, am Horn von Afrika vorbei, stoppte im Jemen, passierte das Rote- und später das Mittelmeer und ist nun auf dem Weg nach Südamerika. Auch wir können uns eine Seereise ohne jede Motorunterstützung und Elektronik an Bord kaum vorstellen und sind fasziniert davon, was doch alles möglich ist mit der richtigen Einstellung und Herangehensweise.
Am Nachmittag hat der Hafenpolizist dann tatsächlich unsere Reisepässe gestempelt. Für heute sind zwei Crews mit insgesamt 4 Personen zur Ausreise angemeldet. Da gibt es tüchtig Arbeit für den äußerst freundlichen Uniformierten. Wir empfangen strahlend und dankbar unsere langersehnten Papiere und legen ab.
Etwa drei Meilen vor der Küste nehmen Wind und Seegang deutlich zu und erreichen schnell Höhen jenseits unserer optimistischen Prognosen. Die Wellen türmen sich auf bis zu 5 m auf und lassen uns ordentlich „Fahrstuhl“ fahren. Auch der Wind pfeift kräftig durchs Rigg, so dass wir schon bald mit einer Segelfläche in Handtuchgröße Rumpfgeschwindigkeit laufen. Mit ganz kleiner Wäsche kommen wir prima voran, schauen aber noch vor Einbruch der Dunkelheit in fahlgrüne Gesichter. Nach 24 Stunden ändert sich das Bild langsam. Der Seegang nimmt ab, der Wind verlangt nach mehr Tuch und Papillon gleitet freundlich durchs wenig bewegte Wasser, ein Teil der letzten Mahlzeit klebt am Heck und unsere Mimik entspannt sich allmählich. Am dritten Tag verlässt uns der Wind dann komplett und wir pflügen mit Motorunterstützung über die spiegelglatte See. Eine Delfinschule begleitet uns einige Zeit und tummelt sich fröhlich in unserer Bugwelle. Wir packen die Porzellantassen wieder aus und genießen das Kaffeefahrtwetter.
Noch vor Einbruch der Dunkelheit erreichen wir den nagelneuen Yachthafen von Arrecife auf Lanzarote. Er wurde erst vor drei Wochen eröffnet und erwartet uns mit super Serviceeinrichtungen zu vergleichsweise günstigen Liegegebühren. Eine warme Dusche wäscht schon bald die Salzkruste und die Anspannungen der letzten Tage von unseren gepökelten Gesichtern.
2011-11-19 Kanarentief
So sieht es aktuell vor dem Hafen aus und die Prognosen werden nicht besser:
Wir bleiben wohl noch etwas hier in Arreciefe und üben uns im Landgang.
2014-11-26 Manriques Insel
Unabhängig von ihrer Ankunftszeit berichten auch fast alle anderen Yachtcrews am Steg von ähnlich anspruchsvollen Überfahrten zu den Kanaren. Während in den ersten Stunden nach der Ankunft das eine oder andere Schiff vielleicht noch mental zum Verkauf steht, nehmen die Vorbereitungen für eine Weiterreise dann schon nach wenigen Tagen wieder Gestalt an. Strapazen gehören dazu und sind schnell wieder vergessen.
Das Wetter ist recht trüb und unterstreicht die Stimmung der schwarzen Vulkanlandschaft Lanzarotes.
Liebhaber schauriger Kargheit in depressiver Grundstimmung kommen hier voll auf ihre Kosten, während die Freunde üppiger Vegetation schon bald von panischem Fernweh getrieben scheinen. Wir sind zum ersten Mal auf einem Vulkan und lassen uns von den Formen erstarrter Lavaströme, den kahlen Kratern und dem heißen Gestein beeindrucken. Am aktiven Teil des Vulkans werden wir Touristen mit künstlichen Geysiren, dem Entzünden von Feuer und dem Garen teurer Mahlzeiten am Vulkanschlot vortrefflich unterhalten.
Überall auf Lanzarote stößt man auf die Spuren des Künstlers César Manrique. Neben modernen Skulpturen zeichnet er vor allem für hervorragend in die Landschaft integrierte Bauwerke verantwortlich. Begeistert sind wir von seinem ehemaligen Wohnhaus. Es ist auf einem erstarrten Lavastrom errichtet worden und integriert fünf vorhandene Lavablasen als lauschige Separees in den freundlich-hellen Wohnraum.
Völlig vergeblich erwartet hatten wir wohl die eine oder andere grüne Oase, in der die leuchtend gelben Kanarienvögel ihren angenehmen Gesang verbreiten. Die einzigen Kanarienvögel, die wir bisher zu Gesicht bekamen, waren Schluckspechte vor dem Supermarkt mit ihren roten Schnäbelchen und zerzaustem Federkleid.
Inzwischen liegen wir wieder auf der Lauer nach einem geeigneten Wetterfenster. Uns zieht es weiter in Richtung Gran Canaria. Die ARC mit etwa 200 Yachten sollte bereits in Richtung Karibik gestartet sein und wieder ausreichend Liegeplätze frei gemacht haben. Wetterbedingt wurde der ursprünglich für den Totensonntag geplante Start zwar verschoben, dürfte dann aber wohl einen Tag später erfolgt sein.
2014-12-05 Seemännische Adventstimmung
Sturmböen mit kräftigen Regenschauern pfeifen durch den Hafen und verstärken das Gefühl der Geborgenheit … so hinter den Wellenbrechern. Wir verkriechen uns in den geräumigen Bauch unserer Yacht, finden längst verkramte Bücher und Videos und lassen Freizeitbeschäftigungen aus vergangenen Tagen eine Renaissance erleben. In den wenigen Pausen zwischen den waagerechten Regenschauern drängt sich die Fahrtenseglergemeinde in der WiFi-Zone. Während die elektronischen Wunderwerke gewaltige Datenmengen absorbieren, kommt man ins multilinguale Gespräch. Die Kommunikation funktioniert tadellos und würde in Satzbau, Wortwahl und Aussprache doch jeden Fremdsprachenlehrer mit Gänsehaut und Haarausfall in den Wahnsinn treiben. Verständigung ist hergestellt und so hat die an Gestik reiche, agrammatische Weltsprache ihren Zweck erfüllt. Man tauscht Reiseerfahrungen, Wetterprognosen und viele Tipps gegen Seekrankheit zwischen Menschen, die sich verstehen wollen.
Kaum hat sich das Wettergeschehen beruhigt, stechen wir in See und nehmen Kurs auf Gran Canaria. Der Seegang hat sich nach den stürmischen Tagen noch nicht wirklich gelegt und beschert uns eine ruppige Überfahrt mit leichter Bewusstseinstrübung. Auf heimatlichen Weihnachtsmärkten wird aktuell für derartige Schleudertraumen richtig Geld an Fahrgeschäfte und Glühweinstände gezahlt. Wir verstehen es nicht, sind froh, als wir nach 26 Stunden den Hafen von Las Palmas auf Gran Canaria erreichen und die Schiffsbewegungen wieder zum Erliegen kommen. Stadt und Umgebung gefallen uns ebenso, wie die günstigen Liegegebühren im Yachthafen. So ist der Beschluss schnell gefasst, die Feiertage und den Jahreswechsel in aller Ruhe hier zu verbringen. Für die nächsten Tage erwarten wir Besuch aus Deutschland. Marco kommt auf die Papillon und wir freuen uns riesig. Guten Flug mein Bester!
2014-12-17 Es weihnachtet kaum
Mit reichlich neuer Seglerbekanntschaft, Besuch an Bord, Stadtbummel und Mietwagentouren über die Insel rast die Zeit unbemerkt an uns vorbei. Inzwischen geht unser Aufenthalt auf Gran Canaria schon in die dritte Woche. Das grenzt an Sesshaftigkeit. Die englischen Stegnachbarn haben die Kanaren ebenfalls als Sprungbrett in die Karibik angesteuert, allerdings schon vor zweieinhalb Jahren. Mit dieser ungeplanten Verzögerung befinden sie sich in bester Gesellschaft und sind bei weitem nicht die Rekordhalter im Hafen. Man kann es also ganz gut aushalten hier, wie das segelmüde „Strandgut“ aus ganz Europa beweist. Gran Canaria ist auch wirklich schön.
Der letzte Vulkanausbruch liegt schon etwas länger zurück, so dass die Vegetation
weitaus üppiger ausfällt als auf Lanzarote. Wir genießen die grünen Täler während
unser quietschgelber Mietwagen mit Marco am Steuer den riesigen Vulkankegel
erklimmt. Bei 20 Grad Luft- und Wassertemperatur führt für unseren kältegeplagten
Gast aus Deutschland auch kein Weg am Strand vorbei. Wir baden seit Langem
wieder im Meer, grübelnd warum uns die Idee nicht eher gekommen ist.
Weihnachtsstimmung will sich unter diesen Witterungsbedingungen nur schwer
einstellen. Die mit Lichterketten geschmückten Palmen und die roten Glaskugeln
zwischen den dickfleischigen Blättern der Gummibäume in der Innenstadt verweisen
jedoch nachdrücklich auf die Adventzeit. Am Strand hat der Tourismusverband der
Insel von internationalen Künstlern die Weihnachtsgeschichte aus Sand formen lassen,
in der Darstellung einfach grandios, inhaltlich jedoch kaum zeitgemäß!
Die drei Weisen aus dem Morgenland reiten fast in Lebensgröße durch die Dünen, beglücken die junge Familie mit Geschenken und weit und breit ist noch keine Angst vor Überfremdung des Abendlandes zu spüren. Niemand fragt nach den wahren Motiven Balthasars bei der Einreise und bangt, er könnte vielleicht noch seine Familie nachholen (ganz rechts im Bild?). Daneben lümmelt zufrieden das Schlachtvieh auf dem Boden statt gegart den Festtagstisch zu krönen. Die Szenen wirken etwas unglaubhaft, die Figuren jedoch lebensecht.
2014-12-29 Kanarische Weihnacht
Zwei Tage vor Heiligabend findet auf dem zentralen Platz in Las Palmas zwischen Kathedrale und Rathaus das große Weihnachtskonzert statt. Die Rathausstufen dienen als Bühne und werden von einem üppig beleuchteten Drahtgestell in der Geometrie eines Tannenbaues dominiert. Die den Platz säumenden Palmen sind bis in die Wedelspitzen mit Lichterketten geschmückt und erzeugen eine festliche Stimmung. Inzwischen haben wir uns mit der sommerlichen Weihnacht unter Palmen angefreundet und müssen eingestehen, dass dieses Ambiente doch auch ganz gut zu der im Mittelmeerraum spielenden Weihnachtsgeschichte aus den Evangelien passt. Das Konzert erinnert an ein Musical und ist weit entfernt von unseren demütigen nordeuropäischen Weihnachtsklängen. Uns sind die Lieder unbekannt. Die Einheimischen auf dem völlig überfüllten St.Ana-Platz singen gegen Ende der Veranstaltung kräftig mit und geben schließlich ihrem Drang nach, die flotten Rhythmen schunkelnd bis tanzend zu begleiten. Es war eine großartige und dank der weihnachtlichen Barmherzigkeit auch eintrittsfreie Veranstaltung.
Über die Weihnachtsfeiertage hat auch das Wetter festlich zugelegt und sonnig warme Tage beschert. Für ein Bad im noch recht warmen Atlantik führte deshalb jeden Tag der Weg einmal am Strand vorbei. So etwas kannten wir bisher noch nicht, nach dem Festtagsbraten im Meer schwimmen zu gehen.
In der aktuellen Zeit der Jahresrückblicke prasselt nun das Erlebnisfeuerwerk der letzten Monate noch einmal auf uns nieder. Da gab es die unterschiedlichsten Eindrücke aus immerhin 7 Ländern und zwei Überseegebieten. Es ist wie zwölfmal hintereinander in den Urlaub gefahren zu sein ohne zwischendurch einmal die Fotos sortiert zu haben. Das machen wir jetzt erstmal,
…bei Eis am Stiel und Glühwein!
2015-01-16 Überraschung
Wir sind sprachlos, schauen in unsere entgeisterten Gesichter, sind für den Moment wohl emotional überfordert. Unsere Mütter haben sich zum gemeinsamen Besuch bei den „Kleinen“ (Wir sind die Letztgeborenen.) angemeldet. Uns bleibt nur eine Woche Zeit, um in der Hochsaison zum Jahreswechsel ein Hotelzimmer zu finden und auf dem leergefegten Mietwagenmarkt einen hoffentlich noch vergessenen Kleinwagen aufzutreiben. Die Uhr tickt, einschlägige Internetportale werden hektisch durchforstet und im Hintergrund meinen wir bereits die in Schubumkehr aufheulenden Triebwerke des landenden Mütterflugzeuges zu hören.
Nicht auf Anhieb, aber mit etwas Geduld finden wir schließlich ein annehmbares Zimmer und auch ein Auto für die Woche Urlaub. Gran Canaria bietet mit seiner sehr abwechslungsreichen Topografie ausreichend Besichtigungsprogramm. Auf den kurvenreichen Straßen über die zerklüftete Insel kommen schnell einige hundert Kilometer und fast ebenso viele Fotomotive zusammen.
Unmittelbar nach Beendigung unserer familiären Viersamkeit nehmen wir voller Tatendrang die unterbrochenen Reisevorbereitungen für den großen Schlag über den Ozean wieder auf. Im Moment scheint es ein aussichtsloses Unterfangen zu werden, dominiert vom Paradoxon, dass unsere Besorgungsliste täglich länger statt kürzer wird.
2015-01-26 Umweg nach Amerika
Wenn wir alle Optimierungsideen vor der Ozeanpassage umsetzen wollten, gäbe es für die nächsten Monate genug zu tun. Einige Segler in der Marina basteln schon mehrere Jahre und glauben selbst nicht mehr an ihren Aufbruch nach Westen. Andere sind längst losgesegelt, mit teilweise winzigen oder uralten Schiffen, die für den Moment mal gerade nicht sehr reparaturbedürftig erschienen, Segelschiffen ohne Motor, ohne Satellitenfunk, mit wenig Sicherheitsausrüstung aber dafür umso mehr Zuversicht der Crew. Irgendwo zwischen den einen und den anderen sind wir wohl angesiedelt. Es gäbe noch so viel zu optimieren aber es gelte mal irgendwann loszufahren.
Nach einigen Verbesserungen an der Segelgarderobe, Wartungsarbeiten, Organisation einer brauchbaren Satellitenkommunikation, einer Gebisskontrolle beim Zahnarzt, der Herstellung von Leesegeln für die Seekojen (damit wir im Seegang nicht immer von der Matratze purzeln)
und üppiger Verproviantierung erklären wir uns demnächst für startklar. Es kann also losgehen und das heißt Abschied nehmen von lieb gewonnenen Segelfreunden, die von hier aus eine andere Richtung über den Erdball einschlagen und unseren freundlichen Stegnachbarn, die mit der Fantasie eines gerissenen Generalvertreters wohl auch weiterhin ausreichend Gründe finden werden, noch für Jahre hier zurückzubleiben.
Die Wetterprognosen raten uns von einem direkten Kurs in die Karibik ab. Wir werden also unsere Ozeanpassage in zwei Portionen aufteilen und zunächst die Kapverden anlaufen.
2015-02-06 Tropen und kein Sonnenstrom
Am Ende des 8. Hochseetages erreichen wir Mindelo auf den Kapverden und blicken auf eine zunehmend angenehme Überfahrt zurück. Die See zeigt sich freundlich und ausgeglichen, nachdem uns das Luder wie gewöhnlich für die ersten drei Tage auf Diät gesetzt und damit auf Idealgewicht zusammengeschrumpft hatte.
Mit Überschreitung des nördlichen Wendekreises steigen dann auch die Wasser- und Nachttemperaturen langsam an, so dass wir uns für die Nachtwachen nicht mehr ganz so dick einpacken müssen. Ab und zu begleiten uns gewaltige Delfinschulen und sorgen für Unterhaltung. Stehen wir nicht sofort als Publikum bereit, werden wir auch schon mal mit Quietschtönen an Deck gerufen. Auch Wasserschildkröten paddeln vereinzelt am Rumpf der Papillon vorbei, winken noch einmal kurz von einem höheren Wellenberg achteraus und verschwinden schnell wieder im Blau, Grau oder Schwarz des Ozeans.
An den Bordalltag auf hoher See haben wir uns inzwischen gut gewöhnt, gewinnen ihm täglich angenehmere Seiten ab und hätten die zweite Etappe der Ozeanüberquerung direkt anschließen mögen, wären da nicht bereits wieder neue Punkte auf der Reparaturliste, die die handwerklich engagierte Crew zum Basteln drängen. Diesmal ziert sich die Solaranlage, ihren Dienst zu verrichten und verknappt uns den Bordstrom. Auch wenn unsere Kraftstoffvorräte bequem ausreichten, die Batterien täglich mit der Lichtmaschine des Dieselmotors zu füllen, möchten wir uns nur ungern alternativlos darauf verlassen müssen. Auch der regelmäßige Motorlärm und die vom achterlichen Wind ins Cockpit geblasenen Abgase sind keine wirkliche Option. Wir stoppen also in Mindelo und reparieren mit dem, was wir dort so bekommen können.
Wie sich erwartungsgemäß herausstellt, ist das Angebot äußerst schmal und setzt einer professionellen Reparatur der Elektronik klare Grenzen. Ein winziger Laden mit Schiffszubehör in der Marina offeriert für uns völlig überraschend einen einsamen Solarregler, der gegen akzeptable Bezahlung in unseren Besitz wechselt. Glücklich verbringen wir das begehrte Stück auf die Papillon und nutzen die dunklen Abendstunden zur Montage bevor wir sehr spät mit glücklichen Gesichtern einschlummern. Der Morgen vertreibt schnell wieder die Zufriedenheit aus der Mimik. Unsere Reparatur ist fehlgeschlagen. Es ist sonnig aber kein Strom! Dabei hätten die Messungen im System so gut zu einem defekten Regler gepasst. Sind die Paneels abgeklemmt, liefern Sie volle Spannung, die knapp unter die Werte der Batterie sinkt, sobald man alles wieder an den Regler anschließt. Mit Hilfe eines erstaunlicherweise doch noch anwendbaren Restwissens aus einer Jahrzehnte zurückliegenden Berufsausbildung in der Elektronik in einem längst untergegangenen Land kommen wir dem ungewöhnlichen Verhalten der Schwachstromtierchen auf unserem Schiff letztlich doch noch auf die Spur. Über die Anwendung des Ohm’schen Gesetzes findet sich der Übergangswiderstand einer gegammelten Verbindungsstelle als Auslöser unserer wirren Messergebnisse und Ursache der Störung. Mit Hilfe des kaum vorhandenen Angebotes an Elektromaterial auf der Insel haben wir mehr improvisiert als repariert unsere Solaranlage nun doch wieder zur Mitarbeit bewegen können und schauen zufrieden auf den leise wieder ansteigenden Füllstand unserer Bordbatterien.
2015-02-08 Karneval in Mindelo
Noch etwas Proviant, Diesel und Wasser bunkern und wir wären zum Auslaufen bereit. Es fehlt nur noch der Wind als Antriebsenergie. Für die nächsten fünf Tage ist weiträumig Flaute angesagt. Da dürfte man weitaus angenehmer vor Anker liegen als auf hoher See in der Restdünung schaukelnd neben der am Vortag über Bord gefallenen Bananenschale zu dümpeln. Wir bleiben also noch etwas in Mindelo, genießen das sonnige Badewetter in der geschützten Ankerbucht und natürlich das exotische, lautstarke, wenn auch leider recht übersichtliche Karnevalsprogramm an Land.
2015-03-04 Achzehn Tage Lunapark
Der Passatwind stellt sich wieder ein und wir lichten den Anker. Unmittelbar nach Verlassen der Bucht taucht eine Hai-Finne neben uns aus dem Wasser, begleitet uns einige Zeit und verschwindet wieder als letztlich doch nichts Essbares von Bord fällt. Eine Stunde vorher sind wir gar nicht so weit von hier ein Stück über die Reede geschwommen um unsere gerade von den Kanaren eingetroffenen Freunde Monica und Toni begrüßen und uns gleichzeitig verabschieden zu können. Auf beiden Schiffen waren Dinghi und Außenborder seetüchtig verstaut und die sportliche war auch die unkompliziertere Möglichkeit, sich noch einmal in die Arme zu fallen, bevor sich unsere Wege nun für lange Zeit trennen. Auch wenn sicher wenig reale Gefahr bestand, wirkt der „Weiße Hai“ in all seinen eindrucksvollen Verfilmungen doch deutlich aus dem Unterbewusstsein und lässt uns noch nachträglich erschaudern.
Schon bald ist die Inselgruppe aus unserem Blickfeld verschwunden und das Meer reicht in alle Richtungen bis zum Horizont. Die mit zunehmendem Abstand vom Land erwartete „Wasserwüste“ finden wir jedoch nicht vor. Über die gesamte Strecke werden wir von Seeschwalben, fliegenden Fischen und manchmal auch Delfinen begleitet, waren also nie wirklich allein. Stundenlang schauen wir in Ermangelung eines anspruchsvollen Fernsehprogramms dem Treiben der fliegenden Fische zu. Sie bewegen sich ähnlich wie Libellen über die Wasseroberfläche, können Kurven fliegen und beherrschen sogar den Formationsflug in größeren Schwärmen. Auf das graziöse Flugbild folgt allerdings fast immer eine äußerst ungeschickte Landung mit großem Platsch und schluckt wieder einen erheblichen Teil der erarbeiteten Anerkennung. Die Seeschwalben suchen besonders in der Nacht unsere Nähe um sich ungesehen und tüchtig kleckernd auf der Papillon auszuruhen. Wenn nicht ab und zu ein Squall mit einem kräftigen Regenguss Deck und Rigg wieder abstrahlen würde, wir könnten wohl vom Guano-Abbau noch einige Zeit leben.
Insgesamt hatten wir recht annehmbare Bedingungen auf unserer ersten Ozeanpassage. Vor den teils haushohen Wellen in der Mitte der Überfahrt waren wir von unserem stets zuverlässigen „B+B-Wetterteam“ rechtzeitig gewarnt worden und konnten noch wichtige Vorbereitungen treffen. In den letzten Tagen haben die Squalls an Frequenz und Stärke zugelegt, wurden aber von unserer nachts stets etwas gerefften Fock gut weggesteckt, so dass wir letztlich ohne Schäden an Mensch und Material in Martinique eingetroffen sind. Unsere Reinigungsmittel sind in den Flaschen aufgeschäumt, Getränkedosen öffnen wir nur noch draußen über der Bordwand, der flüssige Honig ist cremig geworden und wir sind nach 18 Tagen Achterbahnfahrt in ähnlichem Zustand, jedoch zuversichtlich, schon in wenigen Tagen wieder mit beiden Augen in die gleiche Richtung schauen zu können. So intensiv hatten wir uns den Freudentaumel gar nicht vorgestellt. Wir fühlen uns gerührt und geschüttelt.